Berliner Morgenpost: Das Problem der FDP hat einen Namen: Westerwelle - Leitartikel
Geschrieben am 13-02-2010 |
Berlin (ots) - Als ein gewisser Josef Fischer vor gut elf Jahren zum Außenminister und Vizekanzler ernannt worden war, hielt die Republik den Atem an. Würde ein ehemaliger Steinewerfer, ein Kommunarde ohne Abitur, ein Turnschuhminister mit bedenklichen Umgangsformen im Staatsamt bestehen können? Fischer konnte. Blitzartig hatte der Instinktpolitiker nach dem Wahlsieg von Rot-Grün seinen Habitus umgestellt: Er sprach majestätisch, blickte besorgt, führte seine aufsässigen Grünen hart und wenig herzlich. Mit seinem ewigen Widersacher Trittin hatte er ein Abkommen getroffen: Rivalitäten werden dem Machterhalt untergeordnet. Joschka Fischer war ein solider Staatsschauspieler, sicher nicht der beste Außenminister der Republik, aber halbwegs fehlerfrei. Er überraschte sogar seine Gegner positiv. Guido Westerwelle dagegen überrascht sogar seine Freunde negativ. Auch er war unter öffentlichem Vorbehalt gestartet, aber das Darstellen von Bedeutung hatten ihm sogar seine Feinde zugetraut. Doch der FDP-Chef hat die fast 15 Prozent Zustimmung aus dem Herbst binnen eines Vierteljahres halbiert. Die Gründe sind mannigfach, aber die Ursache hat immer den gleichen Namen: Westerwelle. Der Mann hat ein Führungsproblem, auf mehreren Ebenen. Da ist die Partei. Monatelang lag die Zentrale verwaist, weil alle Mitarbeiter gierig in die Ministerien gestürmt waren. Da ist die Fehlkonstruktion im Kabinett: Eine Kleinpartei hat im Gesundheitsministerium nichts verloren, das haben die Grünen vor zehn Jahren schon lernen müssen. Das Entwicklungshilfeministerium schließlich ist zum Symbol für prinzipienlose Pfründegier geworden. In der unseligen Kombination mit Parteispende und Hotelierbonus hat die FDP in Rekordzeit das kostbarste Kapital der Politik verspielt: Glaubwürdigkeit. Folgerichtig werden Westerwelles Betrachtungen zum Sozialstaat nicht als inhaltlicher Beitrag zu einer wichtigen Debatte wahrgenommen, sondern schlicht als Angstbeißen. Westerwelles Ausbruchsversuch illustriert nur umso deutlicher die Seriositätsfalle, in die der Chef seine Partei manövriert hat. Alles, was Skeptiker schon immer hinter dem liberalen Vorhang vermuteten, trat seit dem Wahlsieg hervor: Klientelpolitik, Besserverdienenden-Habitus, Machtgier, das egomanisch Parvenü-Hafte. Das Schlimmste, was einem Politiker widerfahren kann, ist das anschwellende Geraune: Der kann es nicht. Westerwelle hat dieses Stadium erreicht. Er ist überfordert mit der Mehrfachrolle als Außenminister, Parteichef und Richtungsweiser. Folgerichtig fordert der nervöse NRW-Liberale Pinkwart, die Führungsverantwortung zu teilen. Der Ansatz ist richtig. Ob Schröder, Genscher oder Fischer, fast alle großen Politiker brauchten die Münteferings, Lambsdorffs oder Trittins, um ihre Macht zu stabilisieren. Nur Ausnahmeerscheinungen wie Angela Merkel bringen es fertig, Partei und Regierung mit einer Schar ergebener Bubis zu führen. Westerwelle aber ist keine Ausnahmeerscheinung. Er wird Macht abgeben müssen, um sie zu erhalten.
Originaltext: Berliner Morgenpost Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
Pressekontakt: Berliner Morgenpost Chef vom Dienst Telefon: 030/2591-73650 bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
251724
weitere Artikel:
- Petra Pau: Mehr Demokratie wagen Berlin (ots) - Bundestags-Präsident Norbert Lammert wirbt für eine Verlängerung der Legislaturperiode des Bundestags von vier auf fünf Jahre. Dazu erklärt Petra Pau, Mitglied im Vorstand der Fraktion DIE LINKE und im Innenausschuss: "Immer mehr Bürgerinnen und Bürgern ist es egal, ob sie alle vier oder alle fünf Jahre wählen dürfen. Es gibt einen gefährlichen Vertrauensschwund in die parlamentarische Demokratie. Dem ist nur mit mehr Demokratie zu begegnen, mit mehr direkter Demokratie. Vorrangig ist daher die "Freischaltung" von mehr...
- "Westerwelle hat in der Sache Recht!" - Der Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, Kurt Lauk Berlin (ots) - Zur Auseinandersetzung in der FDP über die ausufernden Sozialleistungen erklärt der Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, Kurt Lauk: "Westerwelle hat in der Sache Recht!" "Der FDP-Vorsitzende Westerwelle hat sich im Ton massiv vergriffen. Angesichts der dramatischen Entwicklung hat er jedoch in der Sache Recht: Die Kosten für die steuerfinanzierten Sozialleistungen des Bundes liegen mit 177 Milliarden Euro längst weit über den Gesamteinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden aus der Lohnsteuer in Höhe von 142 Milliarden mehr...
- LVZ: Künast: "Politrowdy" Westerwelle für Regierung "ungeeignet" / Weg zur Ellenbogengesellschaft bedeute auch Bruch mit Genschers Traditionslinie Leipzig (ots) - Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat den FDP-Vorsitzenden, Vizekanzler und Bundesaußenminister Guido Westerwelle als "offensichtlich ungeeignet" für seine Ämter bezeichnet. Gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" (Montag-Ausgabe) bezeichnete sie Westerwelle nach dessen jüngsten Erklärungen zur Sozialstaat als "Politrowdy", der sich schon nach gut 100 Tagen als Außenminister und Vizekanzler gescheitert sehe. "Dem Politrowdy Westerwelle ist der Diplomatenanzug des Aussenministers offensichtlich mehrere Nummern zu groß. mehr...
- Der Tagesspiegel: Ströer sieht Ende der Werbekrise und wächst wieder - Börsengang denkbar Berlin (ots) - Der Kölner Außenwerber Ströer sieht eine Erholung in der Werbebranche. "Die Werbekrise ist vorbei, jedenfalls in dem Sinne, dass die Nettoerlöse zweistellig fallen. Für Deutschland erwarten wir, dass der Werbemarkt 2010 stagniert", sagte der Vorstandsvorsitzende und Miteigentümer Udo Müller dem Tagesspiegel (Montagausgabe). Sein Unternehmen, Marktführer bei der Außenwerbung in Deutschland, werde 2010 sogar auf "ein vernünftiges Wachstum" kommen. "Das erste Quartal läuft recht gut." Im Krisenjahr 2009 habe sich der Umsatzschwund mehr...
- Der Tagesspiegel: Birgit Homburger, FDP-Fraktionschefin im Bundestag: Für Rote und Grüne heißt soziale Gerechtigkeit immer Gleichmacherei" Berlin (ots) - Birgit Homburger, FDP-Fraktionschefin im Bundestag: Für Rote und Grüne heißt soziale Gerechtigkeit immer Gleichmacherei" Berlin - Nach FDP-Parteichef Guido Westerwelle hat auch die Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Birgit Homburger, eine neue Debatte über den Sozialstaat gefordert. Im "Tagesspiegel" (Montagausgabe) sagte sie: "Wohlstand in Deutschland kann nicht nur verteilt werden, er muss hart erarbeitet werden. Deshalb wollen wir eine Debatte über eine neue Balance des Sozialstaats." Gleichzeitig griff Homburger mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|