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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zum Thema sexueller Missbrauch an Jesuiten-Kollegs

Geschrieben am 15-02-2010

Bielefeld (ots) - Kirchenmänner, die die Sünde anprangern, haben
selbst gefehlt. Die Zahl ist erschreckend: Mehr als 100
Missbrauchsfälle in Deutschland sind inzwischen gemeldet, und es
dürften in den kommenden Tagen wohl noch mehr werden. Die katholische
Kirche, die aus verschiedensten Gründen schon seit längerem
Mitglieder einbüßt, droht auch noch das Wichtigste überhaupt zu
verlieren: das Vertrauen in seine Amtsträger.
Zwischenmenschliche Beziehungen zerbrechen, wenn sie
instrumentalisiert werden. Die Ehe lebt vom gegenseitigen Vertrauen,
das Eltern-Kind-Verhältnis genauso. Wenn sich der Papst »Heiliger
Vater« nennt, leitet sich daraus für Bischöfe, Priester und Pater
eine hohe moralische Verantwortung ab: Sie müssen mit Messdienern
oder Internatsschülern so liebevoll umgehen wie ein Vater. Eltern,
die ihre Kinder ins Berliner Canisius-Gmynasium schickten, setzten
auf die Glaubwürdigkeit der Institution Kirche. Die Vielzahl der
Missbrauchsfälle, egal ob in Deutschland oder zuletzt in Irland,
versetzt dieser Glaubwürdigkeit einen herben Schlag.
Ist die katholische Kirche eine Kirche der »Scheinheiligen«, wie das
Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« nahelegt? Nach außen den Zölibat
preisen und scheinbar enthaltsam leben, im Verborgenen aber Jungen
missbrauchen? Nein, nicht die Kirche ist scheinheilig, eine kleine
Gruppe seiner Funktionsträger ist es. Nicht das »System Kirche«, das
von ihren Priestern Ehelosigkeit fordert und nach Meinung von
Kritikern damit Verklemmtheit erzeugt, so dass sich der Triebstau an
hilflosen Kindern entlade, ist schuld. Es sind Menschen schuld, die
glauben, in der Anonymität der Institution Kirche ihre pädophilen
Neigungen am leichtesten ausleben zu können.
Fakt ist: Alle Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun
haben, ziehen solche Menschen an, Sportvereine und Häuser der offenen
Tür genauso wie die katholische Kirche. Aber würde man deshalb alle
Sportvereine an den Pranger stellen? Nein, und deshalb sollte man
sich auch davor hüten, die katholische Kirche in Gänze zu
verurteilen. Auch mag man die katholische Sexualmoral für lange
überholt halten, aber im Kern setzt sie auf einen respektvollen
Umgang der Geschlechter miteinander. Zu behaupten, sie leiste dem
sexuellen Missbrauch Minderjähriger Vorschub, ist absurd.
Im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten versucht die katholische
Kirche nicht mehr, Fälle von Missbrauch zu vertuschen. Sowohl das
Canisius-Gymnasium in Berlin als auch das Bistum Hildesheim leisten
ihren Beitrag zur Aufeckung des Skandals. Seit 2002 gibt es klare
Regeln der Bischofskonferenz für den Umgang mit Missbrauch. Papst
Benedikt XVI. hat mit Blick auf Irland genauso wie Paderborns
Erzbischof Hans-Josef Becker (»Es ekelt mich an«) mit Blick auf
Berlin die Verbrechen verurteilt.
Zuerst wurden die Jugendlichen Opfer sündiger Amtsträger. An zweiter
Stelle wurde die Kirche selbst zur Leidtragenden.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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