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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR NRW-Landtagswahl Denkzettel - für Bund und Land THOMAS SEIM

Geschrieben am 09-05-2010

Bielefeld (ots) - Die Deutschen wollen aus der Mitte regiert
werden. Das ist die Botschaft der Landtagswahl in NRW. Hotelsteuer
oder Atompolitik, Kopfpauschale oder Bürgerversicherung, Privat oder
Staat - das alles sind nicht die Gegensatzpaare, für die die Parteien
Mehrheiten mobilisieren können. Was bleibt für den Tag nach der Wahl?
Erstens: Das System Rüttgers ist abgewählt. Ein Ministerpräsident,
der nach nur einer Legislatur zweistellig verliert, gerät automatisch
in Legitimationsnot. Das werden Parteifreunde nicht anders
beurteilen. Man wird sehen, ob Figuren der zweiten Reihe wie
Landesgeneralsekretär Krautscheid oder Integrationsminister Laschet
den Mut finden, die Frage nach der Neu-Aufstellung der Union zu
stellen. Zweitens: Schwarz-Gelb ist abgestraft worden. Es hat sich
für die Liberalen nicht ausgezahlt, dass sie ihren sozialen
Bürgerrechtsflügel gestutzt und sich vorwiegend auf die konservative
Wirtschaftsschwinge gestützt haben. Gut möglich, das auch dies zu
erheblichen personellen Veränderungen bis in die Parteispitze führt.
Eine neue Ausrichtung der Partei auf liberale Bürgerwerte erscheint
dringend erforderlich. Ob das noch mit einem Vorsitzenden Westerwelle
möglich ist, ist seit gestern sehr fraglich. Drittens: Auch für
Berlin ist das Ergebnis ein kräftiger Denkzettel. Zu deutlich hat
sich in der Finanz- und Bankenkrise gezeigt, dass Angela Merkel als
Kanzlerin einer kleinen Koalition nicht stark genug ist, die
Führungsaufgabe in der Republik zu übernehmen. Es fehlen ihr die
Helfer eines großkoalitionären Kabinetts, namentlich Ex-Außenminister
Steinmeier und Ex-Finanzminister Steinbrück. Viertens: Die SPD
scheint zurück im Spiel der Macht. Sie hat dies weniger der eigenen
Leistung als dem Versagen der Regierungskoalitionen zu verdanken. Es
ist gleichwohl eine große Chance für die Sozialdemokraten. Die
Erneuerung in Regierungsverantwortung wird ihr leichter fallen als
das Versinken in der Opposition. Fünftens: Die Grünen feiern ihren
größten Erfolg in NRW. Sich in einem Flächen- und Industrieland so
klar als drittstärkste Partei zu etablieren - das zeugt von einer
gewaltigen Kraft, die diese Bewegung ins Zentrum der politischen
Gestaltungsmacht rückt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Grünen
- gerade weil sie in der Lage sind, fortschrittliche Ökologie,
verantwortungsbewusste Ökonomie und das Primat der Bürgerrechte zu
verkörpern - die FDP als gestaltende Kraft dauerhaft ablösen können.
Schließlich die Linke: Sie hat es erneut und vielleicht zum
wichtigsten Mal auch im Westen ins Parlament geschafft. Wenigstens
das Vermächtnis hinterlässt ihr der scheidende Oskar Lafontaine. Bis
zum Status einer Gestaltungskraft wie es die Linke in den neuen
Ländern gelegentlich ist liegt allerdings noch ein sehr weiter Weg.
Was nun? Es gibt ein neues Machtgleichgewicht im Land. Seit der
Bundestagswahl 2009 schwankt Deutschland zwischen Führungslosigkeit
und Streitsucht. Es wird nun Zeit, dass das Land endlich wieder
regiert wird.

Originaltext: Neue Westfälische (Bielefeld)
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65487
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65487.rss2

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


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