Westdeutsche Zeitung: Eurokurs: Vor Untergangsszenarien sei gewarnt Von Martin Vogler =
Geschrieben am 14-05-2010 |
Düsseldorf (ots) - Euro-Polizei, das ist doch ein schmeichelhafter Titel? Wenn sich EZB-Präsident Trichet mit seiner Idee durchsetzt, wird Deutschland zwar keine messbaren Vorteile haben. Aber immerhin ist der Vorschlag ein Beweis, wie positiv andere unsere Bemühungen um gesunde Staatsfinanzen sehen. Clever und logisch, dass Jean-Claude Trichet aus dieser Vorbildrolle den Auftrag an uns ableitet, wir sollen Europa aus der Krise führen und dabei den anderen Staaten auf die Finger schauen.
Mit seinem hohen Anspruch zwingt der EZB-Chef Berlin dazu, tatsächlich ein Musterknabe zu sein, was wir ja in Wahrheit nicht mehr sind. Zudem schmeichelt er Angela Merkel, die mit Argwohn beobachten musste, wie der französische Präsident Sarkozy immer mehr in die europäische Führungsrolle drängte.
Wenn die Funktion einer Euro-Polizei dazu führt, dass endlich mehr Ruhe in die Märkte kommt, dann hätte sie bereits ihre Berechtigung. Denn beim Thema Euro spielen derzeit fast alle Tollhaus. Da bezweifelt Deutsche-Bank-Chef Ackermann in einer Talkshow, ob die Griechen ihre Schulden zurückzahlen können. Schon haben wir neue Bewegung in den Kursen. Gleiches passiert, wenn kolportiert wird, Sarkozy habe mit Frankreichs Ausritt aus der Euro-Zone gedroht. Abgesehen davon, dass mancher Experte mit Schweigen gelegentlich besser beraten wäre, beweist das nur, wie hochgradig nervös alle sind.
Der Euro sinkt - und wir steigern uns in ein Katastrophenszenario hinein. Warum eigentlich? Früher verbesserten Staaten häufig sogar bewusst ihre Situation durch eine Abwertung ihrer Währung. Jetzt geht es allerdings nicht nur um ein Land, sondern um fast ganz Europa. Klar auch, dass wir bei einem niedrigeren Eurokurs für Importe mehr bezahlen müssten. Andererseits stiegen unsere Chancen, Waren günstig auf dem Weltmarkt zu verkaufen, was gut für unsere Konjunktur wäre. Und im europäischen Alltag spielt der Eurokurs erstmal eine zweitrangige Rolle. Insofern sollten wir bei einem Eurokurs von 1,24 Dollar zwar achtsam sein, aber keine Untergangsszenarien herbeireden. Erinnern wir uns lieber: Bei der Einführung des Euro im Jahr 2002 lag sein Wert unter einem Dollar. Auch damals ging bekanntlich die Welt nicht unter.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2
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