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WAZ: Autoritätsverlust der Kanzlerin - Merkel kriegt die Krise - Leitartikel von Miguel Sanches

Geschrieben am 13-06-2010

Essen (ots) - Sigmar Gabriel ist ein Hans im Glück. Niemand will
von ihm wissen, ob die Neuvermessung der SPD abgeschlossen ist, was
aus der Rente mit 67 wird, ob die Partei sich wieder auf eine Große
Koalition einlassen würde. Keiner behelligt den Mann mit den
Widersprüchen der SPD. Es gibt gerade Wichtigeres in Deutschland: das
Siechtum der schwarz-gelben Koalition. Sie ist ihrem Ende näher als
einem Neuanfang. Ein gespenstischer Befund für eine Regierung im
ersten Jahr. Eigentlich müsste man darob ausgelacht werden. Bloß: Es
lacht keiner. Denn alle können verfolgen, dass Angela Merkel den
Autoritätsverfall und Vertrauensverlust nicht stoppen kann. Nach
Griechenland und nach dem Euro wird jetzt quasi auf das Ende ihrer
Kanzlerschaft spekuliert. Und auch wenn die Bundespräsidentenwahl am
30. Juni glatt über die Bühne gehen sollte, hätte die Kanzlerin bloß
ein paar Monate Zeit gewonnen. Im Herbst muss das Sparpaket
verabschiedet werden, dann brechen die Widersprüche auf. Zudem muss
Merkel die CDU-Führung neu ordnen; was, nüchtern betrachtet, die viel
bessere Gelegenheit ist, die Chefin mal richtig abzustrafen. Es gibt
das Phänomen der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Und gerade
deswegen muss die Stimmung in der Koalition, müssen die Klagen über
ein "bürgerliches Gewirr" (Koch) die Kanzlerin alarmieren. Fakt ist,
dass jede Sachfrage taktisch ausgereizt wird, ob es um so
unterschiedliche Themen wie Opel, um die Wehrpflicht, den
Atomausstieg oder um die Gesundheitsreform geht. Fakt ist auch, dass
sich in der Politik eine unversöhnliche Haltung breit macht, bei den
Akteuren eine Alles-oder-nicht-mit-mir-Mentalität. Bei der kleinsten
Differenz steht ein Rücktritt im Raum. Offensichtlich ist auch, dass
der Kanzlerpartei ein strategisches Zentrum fehlt. Merkel muss jeden
Brandherd selbst löschen. Sie ist ziemlich allein und daran nicht
schuldlos. Es ist leicht zu erklären, wie es so weit kam. Es hat mit
den Koalitionsverhandlungen und Merkels Unfähigkeit zu tun, eine
partnerschaftliche Atmosphäre zu schaffen. Man redete von der
Regierung Kohl/Genscher oder Schröder/Fischer, aber nicht von
Merkel/Westerwelle. Schwerer ist die Frage zu beantworten, wie Merkel
aus der Krise wieder rauskommen soll. Als ihm der Rückhalt fehlte,
stellte Schröder 2005 die Vertrauensfrage. Lieber ein Ende mit
Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Fast wäre es gut gegangen. Er
wollte in die Offensive kommen. Er hat es wenigstens versucht.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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