Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Oppositionsregierung:
Geschrieben am 13-06-2010 |
Bielefeld (ots) - Regieren aus der Opposition: Ein Widerspruch in
sich - und doch will das die SPD in NRW versuchen.
Chef-Unterhändlerin Hannelore Kraft steht nach 40 Stunden Sondierung
mit leeren Händen da, hat aber trotzdem eine Chance. Die
Landesverfassung beschert ihr einige Möglichkeiten mehr, als etwa die
hessischen Statuten ihrer Genossin Andrea Ypsilanti gewährten. Ohne
einen Haushalt 2011 droht in NRW nicht die Zahlungsunfähigkeit, auch
könnte Kraft in einem vierten Wahlgang mit weniger als der Hälfte von
181 Stimmen Ministerpräsidentin werden. Kraft spricht derzeit nicht
einmal öffentlich über die Themen Minderheitsregierung und Neuwahlen.
Das bewahrt sie sich für später auf. Für sie ist und bleibt der
Landtag die vertrauteste politische Plattform. Schon in der kommenden
Woche könnte ein Vorschlag aus dem Haupt- und Finanzauschuss für eine
Opel-Bürgschaft zur ersten Nagelprobe werden. Das SPD-Kalkül ist
einfach: CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers kann sich einer Hilfe
für Opel in Bochum nicht verweigern. Alles andere wäre politischer
Selbstmord für den geschwächten Unions-Arbeiterführer. Gleichzeitig
könnte die Linke mitstimmen, was vor allem die Bürgerlichen ärgert
und Rot-Grün klammheimliche Freude bereitet. Beispiel Schulpolitik:
Da wird die SPD nach Auskunft von Fachsprecherin Ute Schäfer schon
sehr bald die Abschaffung der Kopfnoten oder die Wiedereinführung von
Grundschulbezirken zur Abstimmung stellen. Schwarz-Gelb wird ablehnen
- kein Problem, selbst wenn sich die Linke enthält, reichen die 90
Stimmen von Rot-Grün. Schließlich die Studiengebühren. Deren zügige
Wiederabschaffung war für die SPD in Hessen während Kochs
Minderheitsregierung kein Problem. So etwas sollte in
Nordrhein-Westfalen gegen die Regierung Rüttgers allemal möglich
sein. Allerdings: Die Linkspartei, deren demokratische
Unzuverlässigkeit auch Hannelore Kraft nicht schmeckt, sind indirekte
Stütze des Projektes »91. Stimme«, mit dem sie aus der Opposition
heraus regieren will. Noch schwerer wiegt die Verstimmung bei den
Grünen, die sich als Stimmvieh in Düsseldorf und Schlachtopfer auf
bundespolitischer Ebene verstehen müssen. Der Vorwurf, die NRW-SPD
trage indirekt zur Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke bei,
ist massiv. Mehr noch: Der Verzicht darauf, über den Bundesrat das
Berliner Sparpaket auszubremsen, könnte die Bundes-SPD zerreißen. Und
Jürgen Rüttgers? Der wird die Staatskanzlei zur Trutzburg gegen den
Landtag ausbauen. Verfassungsjuristen dürften dort zu
Regierungsberatern aufrücken. Auch der Noch-Ministerpräsident schaut
über die südliche Landesgrenze. Koch gewann schließlich nach einem
Jahr politischen Gehampels seine Mehrheit zurück. Wenn das kein
Ansporn zum Durchhalten ist!
Originaltext: Westfalen-Blatt
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Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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