13. Dezember 2004 - Zu Überlegungen der SPD-Bundestagfraktion zur Eindämmung des Umsatzsteuerbetrugs erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poss:
Umsatzsteuerbetrug ist kein neues Phänomen. Aber die Methoden, Technik und die kriminelle Energie der häufig organisiert handelnden Betrüger sind raffinierter und effizienter geworden. Nach fachlichen Schätzungen wird mit einem Ausfall von bis zu 20 Milliarden Euro im Jahr gerechnet und dies bei einem Gesamtaufkommen von knapp 138 Milliarden Euro. Jeder siebte Euro geht den öffentlichen Kassen also bei der Umsatzsteuer verloren. Bei mehreren Fachgesprächen der SPD-Bundestagsfraktion mit Umsatzsteuer-Experten wurde deutlich: Herkömmliche Massnahmen zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs, also Massnahmen im Bereich des Umsatzsteuergesetzes, sind alleine nicht zielführend. Erforderlich sind auch Neuregelungen im Strafprozess- oder Strafrecht und im Bund-Länder-Verhältnis.
Nach dem bisherigen Sachstand der Diskussion kommt folgender Drei-Stufen-Plan in Frage:
- In der ersten Stufe geht es um die Verbesserung der Aufdeckung von Umsatzsteuerbetrug und um bessere Ermittlungsmöglichkeiten für die zuständigen Stellen. Das kann kurzfristig realisiert werden. Dazu müssen insbesondere die Möglichkeiten der Telefonüberwachung potenzieller Täter verbessert werden. Die vom Bundesgerichtshof erst kürzlich kritisierte Vorschrift der schweren Steuerhinterziehung nach Paragraph 370 a der Abgabenordnung, die mittelbar zur Telefonüberwachung gemäss Paragraph 100 a der Strafprozessordnung führt, soll Gegenstand einer Neuregelung sein. Auch ist zu prüfen, ob schwere Steuerhinterziehung nicht weiterhin in der Abgabenordnung, sondern aus rechtspolitischen Gründen im Strafgesetzbuch als Verbrechen verankert werden sollte. In jedem Fall dürfen die Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfolgung einer schweren Steuerhinterziehung keinesfalls eingeschränkt, sondern müssen eher erweitert werden. Der Bundesgerichtshof hat erst im März dieses Jahres entschieden, dass Umsatzsteuerkarussellbetrüger den Tatbestand einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129 Strafgesetzbuch erfüllen können. Hier geht es also um schwere organisierte Kriminalität.
- In der zweiten Stufe steht die Stärkung der Rolle des Bundes bei der Bekämpfung der Steuerkriminalität im Mittelpunkt. Diese Aufgabe soll mittelfristig realisiert werden. Denn die Steuerverwaltung und daher auch die Bekämpfung der Umsatzsteuerkriminalität ist heute im Prinzip Sache der Bundesländer. Die Bundesländer haben bekanntlich die Schaffung einer Bundessteuerverwaltung abgelehnt; sie sind aber offenbar bereit, bei Betriebspruefungen und der Kriminalitätsbekämpfung eine koordinierende Rolle des Bundes zu akzeptieren. Ermittlungsdefizite bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs gibt es nicht nur bei der Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen, sondern auch bei der Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften und der Polizei. Es ist sicherzustellen, dass durch bessere Koordinierung und Zuständigkeiten, der Umsatzsteuerbetrug schneller entdeckt beziehungsweise verfolgt werden kann. Erforderlich ist dazu eine Änderung des Finanzverwaltungsgesetzes; denkbar ist auch die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften in den einzelnen Bundesländern beziehungsweise im Bund.
- In der dritten Stufe soll ein möglicher Systemwechsel bei der Umsatzsteuererhebung angestrebt werden. Das kann erst langfristig realisiert werden. Es werden hierbei zwei Modelle diskutiert. Das eine Ist-Versteuerung mit so genannter cross check Ueberprüfung. Das andere ist das vom rheinland-pfälzischen Finanzminister Gernot Mittler vorgeschlagene Reverse-Charge-Modell - danach geht die Steuerschuld generell auf den Abnehmer einer Leistung über, soweit dieser selbst Unternehmer ist. Beide Modelle werden zur Zeit auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft. Beide Vorschläge setzen bei ihrer Realisierung eine Änderung der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie voraus.
Die SPD-Bundestagsfraktion strebt im Rahmen dieses Drei-Stufen-Plans an, bis zur Bundestagswahl 2006 wichtige Schritte für eine wirksamere Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs zu unternehmen und setzt dabei auf die konstruktive Mitarbeit der Bundesländer und der Opposition.
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