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Westdeutsche Zeitung: Vom Lügen und Regieren = von Stefan Küper

Geschrieben am 20-09-2006

Düsseldorf (ots) - Wieviel Wahrheit vertragen die Wähler? Dies ist
die Kernfrage, vor die sich jeder Spitzenpolitiker in Wahlkampfzeiten
gestellt sieht - besonders, wenn die Realität unangenehm ist. Angela
Merkel entschied sich vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr für
einen "ehrlichen Wahlkampf" und versprach, die Mehrwertsteuer zu
erhöhen. Die Quittung war ein miserables Wahlergebnis. Offenbar hatte
der ungarische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany ganz genau
hingeschaut und seine eigenen Schlüsse gezogen: Lüge, dass sich die
Balken biegen, und tue nach der Wahl genau das Gegenteil. Und siehe
da, es funktionierte - bis jetzt.

Es ist ja nicht gerade so, dass "geschminkte Wahrheiten" unseren
Politikern vollkommen fremd wären. Nur ließ sich keiner bisher dazu
hinreißen, in einer geheim mitgeschnittenen Rede zu gestehen, dass er
zwei Jahre lang das Volk praktisch ununterbrochen belogen habe, wie
der ungarische Ministerpräsident. Gyurcsany gesteht damit einen
Zynismus ein, der beispiellos ist. Und - schlimmer noch - er hält
Lügen als Mittel zum Machterhalt offenbar für völlig legitim. In
dieser Hinsicht knüpft die politische Klasse in Ungarn offenbar
nahtlos an die Zeiten des Kommunismus an.

Für die Zukunft der jungen Demokratie wird das zu einer schweren
Hypothek. Auch wenn die Randale von einer Handvoll Krimineller
ausgeht - die Empörung im Land ist groß, und der Premier sitzt die
Unruhen aus. Das ist der beste Nährboden für Politik- und
Demokratieverdrossenheit. Zusammen mit den nun anstehenden
Sparpaketen und Steuererhöhungen entsteht eine ideale Grundlage für
Wahlerfolge der Extremisten. Es gibt nur ein Mittel, mit dem sich
belogene Wähler besänftigen lassen: Reue und erfolgreiche Reformen.
Es scheint, als habe Gyurcsany diese Lektion noch nicht gelernt.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

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Telefon: 0211/ 8382-2526
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