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Westdeutsche Zeitung: Schwieriger Nachbar Polen = Von Eberhard Fehre

Geschrieben am 19-10-2006

Düsseldorf (ots) - Der Zwischenfall auf der Ostsee ist so bizarr,
dass er bis vorgestern in der Europäischen Union eigentlich als nicht
mehr vorstellbar galt. Dabei ist es gleichgültig, ob nun, wie der
Kapitän beobachtet hat, vier oder fünf Kugeln aus einer
Handfeuerwaffe, oder, wie ein polnischer Konsul versichert, nur zwei
Leuchtraketen über die Köpfe der Passagiere hinwegflogen. Und es ist
auch unerheblich, dass es möglicherweise Unklarheiten über die
steuerliche Einordnung bestimmter Waren gibt. In der EU - glaubten
wir jedenfalls - lösen solche Probleme die zuständigen Behörden
beider Seiten im Einvernehmen und nicht mit der Schusswaffe.

Vor dem Hintergrund des ohnehin an gespannten deutsch-polnischen
Verhältnisses spielt Berlin den Vorfall zu Recht herunter. In der Tat
spricht nichts dafür, dass es sich um eine von höherer Stelle gezielt
vorbereitete Aktion gehandelt haben könnte. Im Gegenteil: Manches
Detail deutet darauf, dass im polnischen Zoll eine Art Umverteilung
zur privaten Lösung der sozialen Frage Platz gegriffen hat. Aber auch
das machte die Sache nicht besser.

Polen ist ein schwieriger Nachbar geworden. Nationalistische Töne
zur Vertriebenenausstellung, ein aufgesetztes Großmachtgehabe -
immerhin habe Polen ja eine eigene Besatzungszone im Irak, spottete
ein polnischer Publizist -, verbunden mit einem stets wachsamen Hang
zum Beleidigtsein. Manchmal führt sich die neue rechtsgerichtete
Regierung auf, als sei nicht Polen der EU beigetreten, sondern die EU
habe sich Polen angeschlossen und müsse nun im Umgang mit Todesstrafe
oder Homosexualität den Standards der Brüder Kaczynski folgen. Das
alles ist unangenehm und oft auch unappetitlich genug. Da sollte der
Vorfall vor Swinemünde nicht zur Staatsaktion aufgeblasen werden.
Aber zu denken, das gibt er schon.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556
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