Rheinische Post: Bundeswehr - besser als ihr Ruf
Geschrieben am 29-10-2006 |
Düsseldorf (ots) - Von Sven Gösmann
Nachkriegsdeutschland hat es sich nie leicht gemacht mit seiner Armee. Nach den Erfahrungen der Nazi-Jahre herrschte in weiten Teilen der Bevölkerung tiefes Misstrauen gegenüber allem Militärischen. Nur mit dem Leitbild des "Bürgers in Uniform", einer so weit wie möglich zivilisierten Armee, war die Remilitarisierung der Bundesrepublik denkbar. Die Erfahrung von 60 Jahren Frieden ließ die Einsicht in Sinn und Zweck einer Armee schrumpfen gerade in jenen bürgerlichen Teilen der Bevölkerung, die unsere Gesellschaft tragen und führen sollen: Nur 19 Prozent eines männlichen Abitur-Jahrgangs halten es für sinnvoll, Wehrdienst zu leisten. Bei den perspektivloseren Bevölkerungsteilen, um das hässliche Wort Unterschicht zu vermeiden, sind es noch 40 Prozent, die sich zumindest einen persönlichen Vorteil versprechen. Dass von den Wehrbereiten eines Jahrgangs nur noch Einzelne gezogen werden, überführt den Satz von der Bundeswehr als Spiegelbild der Gesellschaft zudem als hohle Phrase. Weil das mäßigende Element bürgerlicher Erziehung Teilen der Armee fehlt, wird es gerade in einem Umfeld wie Afghanistan vermisst. Nun darf man die makabren Schädelfotos nicht als Dummejungenstreiche verharmlosen, sie sind aber auch kein Fanal der Entmenschlichung wie Abu Ghraib. In der Stresssituation eines Kriegsgebiets nichts anderes ist Afghanistan wird die Schicht der Zivilisation noch dünner. Es bedarf keiner neuen Ausbildungsregeln, diese sind eindeutig, sondern eines härteren Durchgreifens der militärischen Führung bei Fehlverhalten. Das gilt am Hindukusch, das gilt auch für manche Entgleisung von Bundeswehrangehörigen in der Heimat. Zugreisende an einem Freitag- oder Sonntagabend in einem Regionalzug, der auch von alkoholisierten Wehrpflichtigen bevölkert wird, können genügend Belege liefern. Darüber hinaus ist Sensibilität im Umgang mit der Bundeswehr gefordert. Wer sie über Jahre aus einem falschen Sicherheitsgefühl kaputtspart und ihr jetzt den Geist des "Kadavergehorsams" unterstellt, wie Grünen-Chefin Roth, fördert das Abdrängen der Armee an den Rand der Gesellschaft. Die Totenkopfposen spätpubertierender Uniformträger in einen Zusammenhang mit dem Libanon-Einsatz der Bundesmarine zu bringen, ist unredlich, vor allem unpolitisch. Der Einwurf des damaligen Verteidigungsministers Struck, Deutschland werde auch am Hindukusch verteidigt, ist viel belächelt worden. In der Tat aber ist die Bundeswehr eines der wenig verbliebenen Instrumente zum Schutz der freiheitlichen Gesellschaften. Ihr Einsatz, auch vor der Küste des Libanon, muss wohlüberlegt erfolgen. Ihn aber beim ersten Aufkommen von Problemen in Zweifel zu ziehen, ist der falsche Weg. Das gilt übrigens trotz der schlimmen Bilder aus Afghanistan auch für eilig-bibbernde Unterwerfungsgesten gegenüber islamistischen Eiferern aller Art.
Originaltext: Rheinische Post Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=30621 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_30621.rss2
Rückfragen bitte an: Rheinische Post Redaktion Telefon: (0211) 505-2303
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
37027
weitere Artikel:
- Westfalenpost: Falscher Ehrgeiz Bundeswehr-Einsätze in der Kritik Hagen (ots) - Von Jörg Bartmann Um sich der Debatte um die Bundeswehr zu nähern, gilt es, sich an Fakten zu halten: Allein gestern sind bei einem Nato-Militäreinsatz in Südafghanistan 55 Aufständische und ein Soldat der Schutztruppe ums Leben gekommen. Das ist kein Einzelfall, sondern die Normalität in einem schmutzigen Krieg. Und ohne Zweifel nimmt die Verrohung unter diesen Umständen enorm zu. Weil menschliche Sensibilität unter dem ständigen Gewaltstress über Bord gehen kann. Wenn man dazu bedenkt, dass höherer Sold und die Aussicht mehr...
- Rheinische Post: Polen provoziert Düsseldorf (ots) - Von Godehard Uhlemann Das deutsch-polnische Spitzentreffen heute steht unter keinem guten Stern. Polens Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski attackiert mit heftigen Worten die Bundesregierung. Das mag zulässig sein, doch am Vorabend seines Berlin-Besuchs ist es mehr als ungeschickt. Es ist eine bewusste Provokation. Inhaltlich wird auch ein erschreckendes Politik-Verständnis Kaczynskis deutlich. Polens Ministerpräsident fordert unter anderem die Regierung Merkel auf, die Vertriebenenverbände in die Schranken zu weisen. mehr...
- WAZ: Rückendeckung für Ekin Deligöz: Gleiche Rechte Kommentar von Sigrid Krause Essen (ots) - Als im Sommer die türkische Rechtsanwältin Seyran Ates nach Morddrohungen muslimischer Machos ihre Kanzlei aufgab, ging ein Aufschrei durch die Republik: Es dürfe nicht sein, dass eine engagierte Juristin mitten in Deutschland vor Fundamentalisten kapituliert, weil sie um ihr Leben fürchten muss. Damals dauerte es unerträglich lange, bis sich auch Politiker und namhafte Zeitgenossen hinter Ates stellten. Nun steht erneut eine Frau im Fadenkreuz der Fundamentalisten. Dass gerade sie, die als Türkin geboren wurde, so klar die mehr...
- WAZ: Debatte über Auslands-Einsätze: Deutschland und der Hindukusch - Kommentar von Lutz Heuken Essen (ots) - Nun haben die schäbigen Fotos aus Afghanistan ja doch noch ihr Gutes: Endlich wird - und das nicht nur in Berlin - offen über den Sinn der vielen deutschen Auslandseinsätze debattiert. Denn das begreifen sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung bislang offenbar nur die wenigsten: Die Bundesregierung hat nicht das Technische Hilfswerk an den Hindukusch geschickt und nicht den Arbeiter-Samariter-Bund in den Kongo. Sondern Soldaten, die notfalls töten müssen. Und die getötet werden können. Zu den weltweiten Einsätzen mehr...
- LVZ: Überfordert Leipzig (ots) - Von Olaf Majer Stolz nahmen Kanzler und Außenminister zur Kenntnis, dass mit jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr die Bedeutung Deutschlands in der Welt stieg. Was mit Bosnien 1995 unter Kohl begann, wurde unter Rot-Grün fast zur Normalität: Deutsche Ordnung und Zuverlässigkeit waren bei internationalen Kriseneinsätzen gefragt. Das Bundeswehrbarrett als neuester Exportschlager - schnell entstand der Eindruck: Wir sind wieder wer, auch in Uniform. Im Gleichschritt ging es marsch, marsch vom Balkan bis zum Horn von Afrika, mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|