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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Präsidentenwahl in Frankreich

Geschrieben am 07-05-2007

Bielefeld (ots) - Die Mehrheit der Franzosen traut es Nicolas
Sarkozy zu, als neuer Präsident einem stagnierenden und an sich
selbst zweifelnden Land wieder Zuversicht zu vermitteln. Der
ehrgeizige Macher hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Land
grundlegend zu reformieren. Auf ihn wartet eine Menge unerledigter
Aufgaben.
Und diese sind in erster Linie wirtschafts- und sozialpolitischer
Art. Die hohe Staatsverschuldung muss eingedämmt werden. Der
aufgeblähte öffentliche Dienst ist zu teuer. In Frankreich ist jeder
Fünfte beim Staat beschäftigt, in Deutschland jeder Zwanzigste.
Hunderttausende Jugendliche, darunter viele aus Einwandererfamilien,
suchen erfolglos nach Arbeit.
Sarkozy will energisch gegensteuern. Er will die Unternehmenssteuern
senken, die 35-Stunden-Woche aufweichen und getreu seinem Motto
»Gemeinsam wird alles möglich« auch benachteiligten Jugendlichen aus
den Vorstädten Arbeit verschaffen.
Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung stecken in den roten Zahlen.
Bei seinen Plänen, die Lebensarbeitszeit zu erhöhen, wird er sich auf
den gut organisierten Widerstand der Gewerkschaften einstellen
müssen, die grundlegende Reformen in den vergangenen 20 Jahren mit
Massenprotesten verhindert haben. Auf diesem Feld muss er die
Franzosen davon überzeugen, dass schmerzhafte Einschnitte das Land
weiter bringen als die Ängstlichkeit, die seine Vorgänger an den Tag
gelegt haben.
Nicolas Sarkozy gibt sich als Wirtschaftsliberaler. Dies gilt
allerdings nur, solange es Frankreich nutzt. Französische
Industrieinteressen weiß er massiv durchzusetzen. Man erinnere sich
daran, wie er die deutsch-französische Pharma-Fusion Aventis-Sanofi
dem französischen Unternehmen einverleibte. Bundeskanzlerin Angela
Merkel sollte argwöhnisch auch die Bestrebungen Sarkozys beobachten,
die Machtverhältnisse bei Airbus zugunsten Frankreichs zu verändern.
In Sarkozy hat Angela Merkel aber einen pflegeleichten Partner, was
die Rettung der EU-Verfassung angeht. Der neue Präsident will die
Fehler von Jacques Chirac vermeiden. Er strebt eine Art Mini-Vertrag
an, in dem die institutionellen Änderungen festgeschrieben werden,
damit die EU handlungsfähig bleibt. Nur das Parlament soll darüber
abstimmen. Einer EU-Mitgliedschaft der Türkei steht er ablehnend
gegenüber. Er sieht die Türkei eher als Mitglied einer
Mittelmeer-Union, die eng mit der EU zusammenarbeitet.
Wie stark Sarkozys Position in Zukunft sein wird, hängt jetzt von
den Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni ab. Der Chirac-Nachfolger
hat sich als Macher und Reformer profiliert. Vielen Franzosen, denen
seine Art, zu polarisieren und sich gegen alle Widerstände
durchzusetzen, als suspekt gilt, könnten jedoch geneigt sein, dem
konservativen Präsidenten eine oppositionelle Mehrheit im Parlament
entgegenzusetzen. Die Franzosen haben am Sonntag für Reformen
gestimmt.
Ob sie harte Reformen wollen, entscheidet sich wohl im Juni.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=66306
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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