 Lausitzer Rundschau: Die Lausitzer Rundschau Cottbus zu den Urteilen im Berliner "Ehrenmord-Prozess": Beschämend
Geschrieben am 14-04-2006 |
Cottbus (ots) - Das Urteil im Prozess um die Ermordung der
Deutschtürkin Hatun Sürücü sorgt für Diskussion. Der Todesschütze -
zur Tatzeit erst 18 Jahre alt - kommt mit einer Jugendstrafe davon.
Die älteren Brüder werden freigesprochen. Obwohl eine Menge dafür
spricht, dass beide beteiligt waren, möglicherweise die ganze Familie
Bescheid wusste. Die Beweise waren nicht ausreichend für eine
Verurteilung. "Im Zweifel für den Angeklagten" lautet der Grundsatz
in der Justiz des Rechtsstaates. Und das gilt auch in diesem Prozess.
Beschämend ist, dass ein Fall wie der Hatun Sürücüs in Deutschland
noch immer möglich ist. Ihr Schicksal zeigt, welche grausamen Folgen
fehlende Integration haben kann. Wenn fanatische, religiös verbohrte
Leute, die sich nicht mit der deutschen Gesellschaft identifizieren,
ihre Prinzipien ungestört ausleben können. Wenn die Gesellschaft
darüber hinwegsieht, was sich am Rande tut, ist das nicht Toleranz,
sondern Gleichgültigkeit. Und durch diese Gleichgültigkeit wird
übersehen, dass junge Türkinnen noch allzu oft die Zwangsehe erdulden
müssen.
Der Mord an Hatun Sürücü ist zumindest gesühnt - auch wenn das
Urteil umstritten ist. Viele andere türkische Frauen und Mädchen sind
in Deutschland schon im Verborgenen getötet worden - von Brüdern, die
im Namen eines abstrusen mittelalterlichen Ehrverständnisses
handelten. Das muss aufhören. Praktikable Integrationskonzepte
endlich durchzusetzen, ist unumgänglich. Und vielleicht
Gesetzesänderungen, um Frauen in Migrantenfamilien besser zu
schützen.
Originaltext: Lausitzer Rundschau
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