CARE Deutschland zieht Bilanz zur Halbzeit der Millenniumsziele und stelle Jahresbericht 2006 vor
Geschrieben am 04-07-2007 |
Bonn (ots) - Liebe Kollegen und Kolleginnen,
anbei finden Sie die beiden Statements zu unserer heutigen Jahrespressekonferenz von Heribert Scharrenbroich, Vorstandsvorsitzender CARE Deutschland und Dr. Wolfgang Jamann, Hauptgeschäftsführer CARE Deutschland.
Unter diesem Link (http://www.care.de/uploads/media/CARE_06jahresbericht.pdf) finden Sie unseren Jahresbericht zum Download. Wenn Sie ein gedrucktes Exemplar wünschen, wenden Sie sich bitte an unsere Pressestelle.
Es gilt das gesprochene Wort
Heribert Scharrenbroich, Vorstandsvorsitzender von CARE International Deutschland erklärte heute im Rahmen eines Mediengespräches in Bonn zur Halbzeit der Millenniumsperiode:
Der Halbzeitbericht des UN-Generalsekretärs zur Umsetzung der Millenniumsziele macht deutlich, dass eine globale Betrachtung der Entwicklung irreführend ist. Die positive wirtschaftliche Entwicklung in einigen Ländern Asiens schönt die Globalbilanz. Die Politik muss sich mit der Entwicklung in einzelnen Regionen und Ländern befassen. Es darf nicht hingenommen werden, dass der Bericht für das Afrika südlich der Sahara (Sub-Sahara-Region) bei allen Zielen feststellt: "Es ist nicht zu erwarten, dass das Millenniumsziel erreicht wird" ( achtmal ) oder "kein Fortschritt oder sogar Verschlechterung zu verzeichnen" ( neunmal ); Ähnliches gilt für die Regionen Südasien und Ozeanien, teilweise auch für die Länder Lateinamerikas und der Karibik.
Die Länder dieser Regionen müssen aufgefordert werden zu erklären, was sie jetzt tun werden, um die Millenniumsziele (MDG) doch noch zu erreichen und welche konkrete Unterstützung sie dazu von den Nordländern benötigen. Mit dieser Forderung will CARE auch ausdrücken, dass man aufhören muss, die "Südländer entwickeln" zu wollen, sondern dass man sie bei der "Selbst-Entwicklung" subsidiär unterstützen sollte. Dazu gehört aber auch, dass die reichen Länder ihre gegebenen Versprechen zur finanziellen Unterstützung, also Aufbringung der ODA-Quote (Official Development Assistance, Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit am Bruttonationaleinkommen, BNE), besser erfüllen als bisher; die Selbstverpflichtung der Industriestaaten sieht vor: jetzt 0,36, ab 2010 0,51 und spätestens 2015 0,7 Prozent des BNE.
Die bisher nur mäßigen Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit belegen aber auch, dass die Millenniumsziele mit Geld alleine nicht zu erreichen sind. Unabdingbar sind für uns neben Effizienz der Finanzhilfen ebenso:
- Abbau von Handelsbeschränkungen vor allem durch die Nordländer, - Gute Regierungsführung (Good Governance ), - strikte Korruptionsbekämpfung und - Beteiligung der Bevölkerung an den Entscheidungsprozessen in den Entwicklungsländern
Besonderes Augenmerk verdient die Verarmung des ländlichen Raumes - Verantwortung der "Geberländer"
Die Finanzmittel für die Entwicklungszusammenarbeit gleichen nicht das aus, was durch Billigimporte aus USA, China und EU in Afrika an Existenzen zerstört wird.
Das wirkt nicht nur gegen die Erreichung der MDG, sondern treibt auch viele Menschen auf den Weg nach Europa. Statt sich mit Mauern dagegen schützen zu wollen, wäre es richtiger, mit dieser Vernichtung von Existenzen aufzuhören.
Ob eine Änderung der Politik der Welthandelsorganisation (WTO) in diesem Sinne zu erwarten ist, muss bezweifelt werden, denn im Grunde hat man auf dem G-8 Gipfel in Heiligendamm nur auf einen "Prüfauftrag" beschlossen. Das heißt, man hat sich nicht geeinigt!
Der Alarmruf des Bundespräsidenten Köhler bei der Eröffnung des Deutschen Bauerntages in der vergangenen Woche bestätigt unsere Einschätzung ("Warum beanspruchen wir, die reichen Industrienationen, Schutzmechanismen für uns selbst, lehnen sie aber bei Entwicklungsländern als Verstoß gegen den freien Welthandel ab? Solche Doppelstandards untergraben unsere Glaubwürdigkeit.")
Es ist geradezu zynisch, wenn man mit den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) für die WTO-Verhandlungen ein Instrument entwickelt hat, das in nicht wenigen Ländern Afrikas und der Karibik, den so genannten AKP-Ländern durch Importerleichterungen zu drastischen Einkommenseinbußen in der Landwirtschaft und damit zu einer Zerstörung bäuerlicher Existenzen, also zu einer Zunahme der Armut führt.
Armut ist weiblich.
Wenn noch immer 70% der Menschen, denen weniger als 1 US-$ am Tag zur Verfügung steht, Frauen sind, oder wenn drei Viertel der 781 Millionen Menschen, die nicht lesen und schreiben können, Frauen sind, belegt dies, dass es mit der Umsetzung des Millenniumszieles Nr. 3 "Gleichstellung und größeren Einfluss von Frauen" nicht weit her ist.
Tragisch sind auch die geringen Fortschritte bei der Vermeidung tödlicher Schwangerschaften. Es bleibt ein Skandal, wenn jährlich eine halbe Million Frauen an behandelbaren oder vermeidbaren Komplikationen während der Schwangerschaft oder unmittelbar nach der Geburt sterben ( vgl. Bericht zu Ziel 8 ).
"Ob wir erfolgreich im Kampf gegen AIDS sind, ist entscheidend für die Erreichung der meisten anderen MDGs." ( Kofi Annan )
Täglich stecken sich 15.000 Menschen an, 8.500 Menschen sterben täglich. In der Sub-Sahara wohnen 10% der Weltbevölkerung, aber dort leben 60% der Infizierten.
Besonderes Augenmerk möchte CARE auf die Tatsache lenken, dass es weltweit 15 Millionen AIDS-Waisen gibt, wovon 80% in der Sub-Sahara Region leben. Die Tendenz ist steigend. Im Jahre 2010 dürften es 18 Millionen AIDS-Waisen in dieser Region geben.
Nach einem Forschungsbericht der Weltbank gilt, dass in einem typischen afrikanischen Land mit 20% HIV/AIDS Erkrankungen das Bruttosozialprodukt (BSP) jährlich um 2,6% geringer ausfällt. Das verursacht - so der Bericht der Weltbank - in 20 Jahren eine Reduzierung des GDP von 67%.
Deutschland tut sich schwer mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen.
Seit dem Amtsantritt von Bundeskanzlerin Merkel erreicht Deutschland mit 0,36% des BSP gerade die untere Grenze der Millenniumsverpflichtung. In der Rangliste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt Deutschland damit aber in der unteren Hälfte, weit abgeschlagen von den Spitzenreitern. Am Ende des Jahres dürfte sich aber herausstellen, dass weniger als 0,36% des BSP für die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) aufgebracht wurden, wenn nicht nachgebessert wird, da das Bruttosozialprodukt 2007 aufgrund des besseren Wirtschaftswachstums größer sein wird, als bei Verabschiedung des Bundeshaushaltes angenommen wurde.
Außerdem ist die Rechnung insofern eine Mogelpackung, da in 2006 2,0 Milliarden oder 26,3 Prozent der Gesamtsumme der EZ für den Erlass der Schulden der Entwicklungsländer, also nicht für direkte Hilfen ausgegeben wurden.
Von den reichlicher strömenden Steuereinnahmen müssten also noch in 2007 zusätzliche Mittel für die EZ bereitgestellt werden, wenn die eingegangene Verpflichtung erfüllt werden soll, 0,36 % des BNE für EZ auszugeben. Die in Heiligendamm angekündigten jährlichen zusätzlichen 750 Millionen werden erst ab 2008 bereitgestellt.
Dr. Wolfgang Jamann, Hauptgeschäftsführer CARE International Deutschland, erklärte heute anlässlich der Vorstellung des Jahresberichtes 2006 in Bonn:
1. Care Deutschland freut sich, Ihnen heute die Bilanz unserer Arbeit im Jahre 2006 vorzustellen, dies geschieht in Form des alljährlichen Jahresberichtes, der in diesem Jahr streng an den Transparenzkriterien der internationalen Prüfgesellschaft PricewaterhouseCoopers orientiert ist. Bereits im letzten Jahr wurden wir von PwC als eine der zehn vorbildlichen Organisationen gewürdigt, die transparent über Ihre Arbeit berichten.
2. Die wesentlichen Kennziffern entnehmen Sie dem beigefügten Factsheet. Wir stellen im Jahresbericht aber nicht nur unsere Einnahme- und Ausgabezahlen dar, sondern erläutern anhand von Projektbeispielen, wie wir unsere Schwerpunkte Nothilfe, Armutsbekämpfung und entwicklungspolitische Anwaltschaftsarbeit in konkreten Projekten umsetzen. So versuchen wir, zur Erreichung der eben erläuterten Millenniumsziele beizutragen.
3. Außerdem geben wir genauen Einblick in unsere Organisationsstruktur und Unterstützerbasis, in unsere langfristigen Strategien und Abläufe und stellen auch dar, was wir tun, wenn einmal etwas in unseren Projekten schiefgeht (auf den Seiten 14 und 15 wird die Einhaltung von Qualitätsstandards detailliert beschrieben).
4. CARE hat im letzten Jahr 114 Projekte durchgeführt und über 11 Millionen Euro Fördermittel direkt in der Arbeit vor Ort umgesetzt. Das entspricht etwa unserer Arbeit im Jahre 2005, wobei die Einnahmen im "Tsunamijahr" naturgemäß sehr viel höher waren als 2006. Wie wir mit den Spenden für die Tsunamiopfer langfristig umgehen, zeigt die Tabelle auf Seite 21 unten.
5. Wir haben die Verwaltungskosten bei unter 7% belassen können und Spenden im Vergleich zum Vorvorjahr halten können - von einer Spenderverdrossenheit kann auch im Jahre nach Tsunami nicht gesprochen werden.
6. Seit unserer strategischen Neuorientierung in 2006 baut CARE Deutschland schrittweise Expertise auf in Arbeitsbereichen, in denen wir im internationalen Verbund besondere Möglichkeiten und Notwendigkeiten sehen: * dem Kampf gegen armutsbedingte Krankheiten wie TBC und HIV/AIDS, * der Vorbeugung und Milderung der Auswirkungen von Naturkatastrophen sowie * dem Einsatz von erneuerbaren Energien bzw. der schonenden Nutzung natürlicher Ressourcen in unseren Projekten. Nicht erst seit der jüngsten Diskussion um den Klimawandel ist CARE hier Vorreiter - schon seit Jahren widmet CARE International Umweltaspekten in seinen Projekten besondere Aufmerksamkeit, und CARE Deutschland bringt deutsches Expertenwissen sowie angepasste Technologien in die Arbeit ein.
7. Die Erreichung der Millenniumsziele ist ohne die Eindämmung von HIV/AIDS nicht zu gewährleisten. CARE Deutschland hat einen Schwerpunkt auf das südliche Afrika gelegt, wo wir in Lesotho, Sambia und Simbabwe umfassende und zum Teil innovative Projekte der AIDS-Bekämpfung durchführen. Die Breite unserer Aktivitäten, die von Vorbeugung und Ent-Tabuisierung über Waisenhilfe für kindgeführte Haushalte bis hin zur Pflege und Sterbebegleitung von AIDS-Kranken reicht, ist im CARE Magazin 'care affair' dargestellt. Derzeit setzen wir acht große Projekte mit einem Gesamtvolumen von fast 9 Millionen Euro zur Bekämpfung armutsbedingter Krankheiten um. Dies vor allem in Afrika, aber auch in Südasien, Russland und Osteuropa.
8. Der Schutz natürlicher Ressourcen und der Einsatz von Technologien, die auf erneuerbaren Energien fußen, ist ein weiteres durchgängiges Ziel der Arbeit von CARE. Durch die oft schwierigen und wechselnden Gegebenheiten vor Ort werden wir aber auch immer vor neue Herausforderungen gestellt, sei es bei scheinbar simplen bürokratischen oder logistischen Problemen, sei es beim dringenden Schulungsbedarf unserer Partner im Umgang mit Solar- oder Windtechnik. Gute Erfolge erzielen wir derzeit mit dem Einsatz von Energiesparöfen (beispielsweise im Tschad oder in Ruanda), welche das Abholzen von Wäldern vor allem rund um Flüchtlingslager verhindern soll. Exemplarisch werden diese auf S. 9 des Jahresberichts beschrieben.
9. Last but not least versuchen wir durchgängig, die Förderung von Frauen, von marginalisierten und sozial benachteiligten Gruppen ins Zentrum unserer Arbeit zu stellen. Armut ist weiblich, und mangelhafte Lebenschancen selbst in randständigen Gebieten im tiefsten Afrika sind in einer aufgeklärten Welt des globalen Wandels nicht mehr hinnehmbar. Für uns haben Frauen weltweit das größte Potenzial, soziale und materielle Missstände zu beheben. Sie ernähren ihre Familien, sorgen für Gesundheit und Hygiene, sind zuverlässige Sparer und investieren in Bildung, wenn man sie lässt. Leider gehen die Millenniumsziele in weiten Teilen an diesen Realitäten vorbei.
Originaltext: CARE International Deutschland e.V. Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6745 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6745.rss2
Pressekontakt: Rückfragen bitte an: CARE International Deutschland e.V. Thomas Schwarz Telefon: 0228 / 97563 23 Mobil: 0160 / 745 93 61 E-Mail: schwarz@care.de
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