Di., 10.7., Das RTL-Sommerinterview im Wortlaut mit Angela Merkel und Peter Kloeppel - Teil2 Angela Merkel zu Integration, zum Störfall in Krümmel und zu zentralen Zielen bis zur Budestagswahl
Geschrieben am 11-07-2007 |
Köln (ots) - Kloeppel: Ein weiteres großes Thema, dass Sie in dieser Woche auch beschäftigen wird, ist der Integrationsgipfel. Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig? Was wollen Sie erreichen? Merkel: Ich glaube, die Zukunft unserer Gesellschaft hängt davon ab, dass wir jedem Menschen eine Chance geben. Wir haben 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund im Lande, viele sind integriert, andere müssen es noch besser schaffen. Und gerade wenn wir uns einmal anschauen, wie uns in einigen Jahren die jungen Leute fehlen werden, dann ist es ganz wichtig, dass auch die Migrantinnen und Migranten die Sprache beherrschen, im Arbeitsleben ihre Chance haben, bei der Bildung ihre Chance haben. Und deshalb setze ich mich dafür ein. Wir haben es zu lange zugelassen, dass sich Parallelgesellschaften ausbilden konnten, wir haben auch manchmal weggeschaut und das muss ein Ende haben und das ist ein zentrales Anliegen meiner Bundesregierung. Deshalb ist die Integrationsaufgabe auch hier im Kanzleramt angesiedelt. Und mir ist das sehr wichtig und wir haben ein Jahr lang jetzt ganz intensiv gearbeitet und werden morgen einen sehr guten Integrationsplan verabschieden. Kloeppel: Es gibt aber auch türkische Vertreter von Migrantenverbänden, die kritisieren, dass die Bundesregierung die Hürden immer höher setzt, wenn es beispielsweise um den Zuzug von Ehepartnern geht. Wollen Sie denen entgegenkommen? Merkel: Wir haben jetzt ein Gesetz verabschiedet. Das ist im Deutschen Bundestag mit einer Mehrheit verabschiedet worden, im Bundesrat. An diesem Gesetz werden wir nichts ändern. Aber: wir haben eine ausgestreckte Hand für jeden der sagt, wir wollen auch Kritik vorbringen, wir haben Sorgen, wir haben Nöte. Darüber kann man sprechen. Aber nur, wenn man im Dialog bleibt. Wir haben jetzt ein Jahr gearbeitet an dem Integrationsplan und der besteht aus Fordern und Fördern. Ich sage immer, die deutsche Gesellschaft muss sich ändern, in dem sie offener wird gegenüber denen, die zu uns kommen. Aber die, die zu uns kommen, müssen auch unsere Gesetze achten und eine Sprachkenntnis haben. Wer die Sprache nicht kennt, hat in diesem Land nicht die gleichen Chancen. Das ist das Ansinnen, und ich finde bei gutem Willen können wir natürlich auch die Wege finden, mit denen wir zusammen kommen. Kloeppel: Unterstützen Sie da auch ihre Bildungsministerin, die beispielsweise sagt: Wir sollten die Hürden da etwas niedriger setzen beispielsweise für professionelle Ausländer, die aber im Moment nur mit einem Jahresgehalt über 80.000 Euro hierher kommen dürfen und hier arbeiten können? Merkel: Also das Eine ist, dass wir jedem, der hier lebt eine Chance geben und deshalb sage ich auch, erst einmal müssen wir den vielen arbeitslosen Ingenieuren wieder Angebote machen, dass sie ins Berufsleben zurückkommen. Aber zu einer modernen Gesellschaft gehört auch, dass wir internationale Spitzenkräfte bei uns arbeiten lassen und da wird darüber gesprochen, ob die Hürden nicht doch etwas zu hoch sind. Das darf aber kein Alibi dafür sein, dass wir Menschen heute mit 50 oder 45 nach Hause schicken und sagen: Euch können wir nicht mehr bilden und anschließend über Fachkräftemangel jammern. Das geht auch nicht, und dass sage ich auch der Wirtschaft immer wieder ganz deutlich. Kloeppel: Sie haben in den vergangenen Jahren als Kanzlerin viel mit Energieversorgung und Energiesicherheit zu tun gehabt. Ärgert es Sie dann eigentlich als Physikerin, wenn Sie sehen, dass in Störfällen wie z.B. in Krümmel dann doch sehr unprofessionell gearbeitet wird? Merkel: Wir haben gerade in der Energiewirtschaft und gerade auch bei den Kernkraftwerken sehr anspruchsvolle Vorschriften - mit Recht. Und mich ärgert es schon, das habe ich auch als Umweltministerin erfahren müssen, wenn solche Vorschriften einfach im Alltag vielleicht nicht so eingehalten werden. Das muss aufgeklärt werden und zwar striktissimo. Sonst können wir natürlich die Sicherheit auch als Überwachungs- und Bewachungs- und Kontrollbehörden nicht sicherstellen. Aber ich sage, ich glaube, dass die Aufklärung da gut von statten geht. Aber das ist immer wieder misslich, wenn Vorschriften nicht eingehalten werden. Kloeppel: Weil das ja auch gegen Ihren Kurs im Endeffekt läuft, der ja sagt, wir sollten in Deutschland noch länger mit Kernenergie leben. Merkel: Ich bin der Meinung, dass bei den sichereren Kernkraftwerken die Laufzeitbeschränkung ein Problem ist. Wir haben jetzt einen Koalitionsvertrag, in dem ist das anders geregelt, und deshalb brauchen wir das im Augenblick auch nicht zu diskutieren. Aber die Voraussetzung ist natürlich, dass Vertrauen da ist, dass das was an Vorschriften besteht, auch wirklich eingehalten wird. Kloeppel: Die Legislaturperiode ist zur Hälfte rum, man hat ein bisschen das Gefühl, die produktive Phase, die Höhepunkte sind hinter uns. Und in den nächsten 1,5 Jahren wird uns sehr viel Wahlkampf beschäftigen. Nehmen Sie uns die Sorge, dass wir uns jetzt quasi nur noch in Scharmützeln bewegen zwischen Union, SPD und den Anderen möglichen Koalitionspartnern? Merkel: Also ich habe die Sorge ehrlich gesagt nicht. Weil wir noch ziemlich viele große Aufgabenstellungen vor uns haben. Wir haben noch ein Versprechen einzulösen, gerade an die mittelständischen Betriebe, nämlich die Erbschaftssteuer zu reformieren. Das ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht einfach. Wir wollen den Bürokratieabbau voranbringen, da sind die Arbeiten noch nicht mal auf der Hälfte angekommen. Das wird uns also noch sehr beschäftigen. Wir haben mit der Kinderbetreuung noch einige Dinge zu lösen. Ich glaube, dass ist für viele Eltern, für viele junge Leute, von aller größter Bedeutung. Und so gibt es viele Themen, bei denen wir am Ende der Legislaturperiode, und die Hälfte ist ehrlich gesagt erst im November, dann sagen wollen, wir haben gute Arbeit für Deutschland gemacht. Und die große Koalition hat die Fähigkeit dazu, und ich werde als Kanzlerin dafür sorgen, dass wir diese Fähigkeit nicht nur theoretisch haben, sondern auch in die Praxis einbringen.
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