WAZ: Sechs-Tage-Schule im Gespräch Mit der heißen Nadel gestrickt - Leitartikel von Rolf Potthoff
Geschrieben am 07-08-2007 |
Essen (ots) - Was hat die Politik für die Bürger zu leisten? Dass Herausforderungen angenommen werden, die für das möglichst reibungslose Funktionieren des Staates gemeistert werden müssen. Dass Probleme und Hindernisse frühzeitig erkannt und gelöst werden, die das Ziel, siehe oben, behindern könnten. Dabei darf, dabei muss die Politik streiten - aber um der Sache wegen. Die muss immer Kern des Mühens bleiben.
Mit der Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur hat sich die Politik einer gesellschaftspolitischen und ökonomischen Herausforderung gestellt und sie hat die richtige Entscheidung getroffen. Jedoch - nur im Prinzip. Jetzt werden handwerkliche Fehler offenbar: Der Stundenplan an weiterführenden Schulen ist so opulent und dicht gepackt, dass an regulären Samstagsunterricht gedacht wird. Der aber wurde nicht zuletzt aus guten familienpolitischen Gründen abgeschafft. Dass er wieder auf die Tagesordnung kommt, ist ein Hohn: Alle Parteien entdecken in diesen Tagen die Familie neu. Die Familie erlebt in der Politik eine Renaissance, weil sie auch in der modernen Welt als Stätte der Geborgenheit, des Grundvertrauens in soziale Beziehungen, der Wertevermittlung gilt. Oder ist dies alles nur Politikers Sonntags-Gerede?
Die Probleme einer verkürzten Schulzeit hätten früher erkannt - und gelöst werden müssen. Es gibt bessere Möglichkeiten, den Unterrichtsstoff so zu verteilen, dass er Jugendliche nicht stresshaft überfordert und die Lust am Lernen gänzlich vergällt. Bieten nicht Ferien genug Chancen zur Disposition? Müssen sie so lang sein, kann man nicht neue Ferienordnungen organisieren?
Vor allem: Was ist mit dem Ganztagsbetrieb? Wo immer Schüler in internationalen Leistungsstudien gut und vor den deutschen abschneiden, besuchen sie den Ganztagsunterricht. Er bietet: Förderung von Schwächeren; Entlastung berufstätiger Eltern bzw. Alleinerziehender; einen auf den Tag verteilten Wechsel zwischen Lernen und Erholen und er macht einen Sechs-Tage-Unterricht überflüssig. Nicht zuletzt: Ganztagsschulen können sich besser profilieren, eine eigene "Identität" schaffen. "Dazu zu gehören" wird Schüler mit Sicherheit mehr motivieren - nicht schlecht für den Lernerfolg.
Natürlich kostet Ganztagsbetrieb mehr Geld. Betreuung und Verpflegung (in eigener Küche) haben ihren Preis. Doch wenn Bildung wirklich "Prioritätstufe 1" genießt, um Teilhabe-Gerechtigkeit zu erzielen und um in globaler Konkurrenz wettbewerbsfähig zu bleiben - wie die Politik unermüdlich behauptet - ist der Preis nicht zu hoch.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : feed://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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