Allg. Zeitung Mainz: Höchst ehrenwert (zu Holocaust-Mahnmal)
Geschrieben am 07-08-2007 |
Mainz (ots) - In Berlin wurde gestern festgestellt, dass jede sechste Stele des Holocaust-Mahnmals Risse hat. Darüber entbrannte sofort eine Diskussion. In Friedberg wurde am selben Tag Hessens NPD-Chef wegen Leugnung des Holocausts zu vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Zwei Vorkommnisse, 600 Kilometer von einander entfernt, dennoch sagen sie viel aus über die Befindlichkeit dieser Republik im August 2007. Die Nation hat eine klare und eindeutige Position zu ihrer Vergangenheit gefunden, eine Position, die dieses Land ehrt. Mitten in der Stadt, von der aus die industrielle Vernichtung der Juden erdacht, befohlen und gesteuert wurde, beherrscht heute ein eindrucksvolles und deshalb auch unübersehbares Mahnmal die gesamte Gegend. Es ist in den zwei Jahren seit seiner Eröffnung zu einem unvergleichlichen Besuchermagneten geworden, wird von den Menschen, die sich auf die 2711 Betonstelen einlassen, in einer Weise emotional erfasst und erlebt, wie man es sich intensiver kaum vorstellen kann. Das Holocaust-Mahnmal, es ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Hauptstadt und damit Deutschlands geworden. Solch eine Gedenkstätte darf in ihrer eindrucksvollen, ein gutes Stück weit auch bedrückenden Präsenz weder von Graffitis noch durch Müll besudelt werden, darüber gibt es selbstverständlich Konsens, deshalb ist das Areal auch eine wohltuende Ausnahme in einer ansonsten eher lässig gepflegten Stadt. Die Risse, die jetzt auftreten, sind, nüchtern betrachtet, wahrscheinlich nur Fabrikationsmängel. Doch solch ein Mahnmal ist eben nicht nüchtern zu betrachten. Denn es ist ein Symbol, das ausdrücklich noch vielen Generationen zur Mahnung dienen soll. Deshalb muss es unbedingt intakt bleiben und deshalb ist es keineswegs übertrieben sondern höchst ehrenwert, dass selbst die kleinen Haarrisse an jeder sechsten Stele Aufsehen erregen und Diskussionen auslösen. - Das Urteil von Friedberg erregt kein Aufsehen, denn es ist in seiner klaren Konsequenz Ausdruck des Konsenses, der in diesem Land gegenüber solcher Geisteshaltung herrscht. Gut so!
Originaltext: Allgemeine Zeitung Mainz Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65597 Pressemappe via RSS : feed://www.presseportal.de/rss/pm_65597.rss2
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