LVZ: Münteferings Erfolgswelt
Geschrieben am 11-10-2007 |
Leipzig (ots) - Von Dieter Wonka Eine Regierungserklärung soll das Handeln der Regierung und nicht das Denken in derselben erklären. So sind formal die Benimmregeln im Bundestag. Das erleichtert Angela Merkels Überleben ganz beträchtlich, muss die Kanzlerin doch nicht verraten, was sie selbst eigentlich so will - außer beliebt zu bleiben und ihr Amt zu behalten. Und ihr Vize kann so tun, als sei alles in Butter. Man beliebte zu schauspielern im Parlament - unterschiedlich talentiert. Franz Müntefering, dieser sauerländische Politik-Selbstversuch aus der Kernsatz-Welt, gab den Sozialkanzler. Bis auf Görlitz (mit einer Arbeitslosenquote von 21,6 Prozent), schlimmen Lohndrückern und zurückgebliebenen Langzeitarbeitslosen geht es heute vielen besser als früher. Die Große Koalition als eine, die nicht alles anders, aber vieles besser als früher macht. Und das mit sozialer Kante. Noch 24 Prozent der Bundesbürger wollen das so sehen wie dieser Regierungsteil der SPD. Da kann man nicht meckern. Kein Wort von ihm zum Arbeitslosengeld I. Da hat der Vize von der Kanzlerin gelernt. Die kommt bekanntlich am Besten an, wenn sie sich aus den Sachen raushält. Vielleicht hat deshalb die Union besonders heftig dem standhaften Minister zugeklatscht. Der Franz, der kann's. Zumindest das Reden - wenn er will. Jetzt schwant manchen in seiner Partei bestimmt Böses:Wenn der Beck, oder auch der Steinmeier, nur einmal, wenn es darauf ankommt, so gut reden könnten, dann müsste sich die Partei nicht mit Fragen der Kleingruppen-Existenz befassen. Um Münteferings Erfolgswelt herum präsentierte sich eine schweigsame Präsidenten-Kanzlerin und jede Menge Durchschnittsparlamentarier mit Hang zum Kauderwelsch. In Spanien plätscherte ein Beck im lauwarmen Meerwasser, während auf Phoenix die Nicht-Debatte um das Alg I lief. Wer es mit solchen Mitstreitern zu tun hat, kann leicht Emotionen wecken. Die Große Koalition, ein großer Erfolg. Es gibt dazu auch eindrucksvolle Zahlen. Ganz oben steht die niedrigste Arbeitslosenzahl seit zwölf Jahren. Es kommt auf Fakten, nicht auf die Neigung zum Jammern an. Stimmungsmäßig - es geht aufwärts - passt die Große Koalition gut zur Zeit und zum Abgang der neoliberalen Schreihälse. Zu tun gibt es aber noch einiges:unzureichende Regelsätze für Arbeitslose; eine dynamische Kinderarmut, die Lebenschancen verbaut;Schmutzlöhne, die ehrliche Arbeitsplätze kaputt konkurrieren;eine unglückliche Mehrfachbelastung gerade der leistungsfähigen Mittelschichten. Dies könnte auf der Agenda einer vorsorgenden Regierungspolitik bis 2009 stehen. Das Bild von der schönen heilen Erfolgswelt bis kurz vor der nächsten Wahl, für das Müntefering so prächtig Position bezog, ist von gestern. Diesen Erfolg hat Kurt Beck schon in der Tasche, egal wie der Kompromiss zwischen ihm und dem Regierungsvize auch ausfällt. Der SPD-Parteitag wird zum Kampf um mehr Soziales, ums Linke und gegen Merkel auffordern. Das wäre ein interessanter Versuch, diese Kanzlerin und ihre Union endlich einmal in der Sache zu stellen. Aber ein Beck wird das nur schaffen, wenn sein Müntefering dabei mitmacht.
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