Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zu Gabriel in Sachen Wulffs Kreditaffäre
Geschrieben am 28-12-2011 |
Bielefeld (ots) - Für Sigmar Gabriel ist Christian Wulffs
Kreditaffäre ein Geschenk des Himmels. Während der Bundespräsident
von einer Peinlichkeit in die nächste stolpert, gibt der
SPD-Vorsitzende den Gönner: Nein, nein, Wulffs Rücktritt wolle man
nicht, ließ Gabriel wissen. Der großzügigen Geste fügte er die
größtmögliche Begründung hinzu: Beim zweiten vorzeitigen Abgang eines
Bundespräsidenten in Folge drohe eine Staatskrise, und daran könne
doch nun wirklich niemandem gelegen sein. Gabriel spielt den
Staatsmann, und man fragt sich, ob er selbst glaubt, was er da sagt.
Dem SPD-Chef geht es schlicht um Taktik. Das ist legal und auch
ganz legitim im parlamentarischen System, kommt im Mantel der Moral
aber trotzdem schicker daher. Die vordergründige Unterstützung für
Wulff gibt Gabriels Kritik quasi höhere Weihen. So kann er das Thema
am Kochen halten und Wulff zugleich wie einen Bundespräsidenten von
seinen Gnaden aussehen lassen.
Die fortgesetzte Erklärungsnot schadet ja längst nicht nur Wulff
selbst, sondern auch Angela Merkel. Immerhin war es die Kanzlerin
persönlich, die Wulff für das Amt des Staatsoberhaupts ausgewählt
hat. Und die Kreditaffäre schadet dem gesamten schwarz-gelben
Regierungslager, das Wulff nur unter schwersten Mühen ins Amt
gebracht hat. Viel mehr kann sich Gabriel derzeit kaum wünschen. Denn
noch fehlt der Opposition die Mehrheit für einen eigenen Kandidaten.
Das kann sich ändern, wenn im Mai in Schleswig-Holstein ein neuer
Landtag gewählt wird. Den Prognosen zufolge ist mit Konsequenzen für
die Zusammensetzung der Bundesversammlung durchaus zu rechnen. Fürs
Erste aber nützt der SPD ein schlingernder Präsident im Amt am
meisten.
Das alles heißt nicht, dass Gabriels Sorge um die Würde des Amtes
unberechtigt ist. Immerhin würde in knapp zwei Jahren der dritte
Präsident gesucht - nach dem aus dem Amt geflohenen Horst Köhler, dem
nicht ins Amt gelassenen Präsidenten der Herzen Joachim Gauck und
schließlich Christian Wulff. Die Frage liegt nahe: Wer von Rang und
Namen wollte freiwillig dritte Wahl sein? Auch über die
Moralansprüche, die heute an Funktionsträger fast jeder Art gestellt
werden, ließe sich trefflich streiten. Das Dumme ist nur, dass es
sich im Fall Wulff eben nicht um eine einmalige Verfehlung handelt,
sondern kaum ein Tag ohne neue Eingeständnisse vergeht. So hat auch
der Weihnachtsfriede nicht lange gehalten.
Auf Wulffs Rücktritt kommt es am Ende gar nicht mehr an. Viel wird
er dem Amt nicht mehr geben können - so oder so. Dieser Präsident
wird sein Amt nicht retten, allenfalls rettet das Amt ihn über die
Zeit. 2015 aber, wenn spätestens wieder gewählt wird, sieht Gabriel
längst eine rot-grüne Bundesregierung an der Macht, die dann einen
eigenen Kandidaten zum Bundespräsidenten wählen kann, ohne auf einen
Konsens mit der CDU/CSU angewiesen zu sein. Vielleicht sogar ihn
selbst. Die Rolle des Staatsmanns übt er ja schon.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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