DER STANDARD-Kommentar: "Ein Reformrennen, das sich lohnt" von Eric Frey
Geschrieben am 01-12-2013 |
Bei Pensionen war Österreich bisher ein schlechtes Vorbild -
das könnte sich ändern (Ausgabe ET 2.12.2013)
Wien (ots) - Es ist ärgerlich zu sehen, wie politische Parteien
von den Fehlern anderer nichts lernen: Die SPD_hat im
Koalitionsvertrag unter dem Slogan "45 Jahre sind genug" eine
abschlagsfreie Frühpension für Langzeitbeschäftigte durchgesetzt -
eine Kopie der österreichischen Hacklerpension, deren desaströse
Folgen nun erst mühsam beseitigt werden.
Insgesamt strotzt das deutsche Regierungsprogramm im Rentenkapitel
von Zugeständnissen an Einzelgruppen, die zwar allein genommen nicht
so teuer sind und auch irgendwie verständlich, aber angesichts einer
rasant steigenden Lebenserwartung und der Finanzierungsprobleme der
Altersvorsorge gegen alles gehen, was Ökonomen dieser Tage empfehlen.
Allerdings gibt der Staat in Deutschland dank eines höheren
Antrittsalters, deutlich niedrigerer Pensionszahlungen und eines gut
ausgebauten Systems der betrieblichen und privaten Vorsorge um
einiges weniger für die Altersvorsorge aus als in Österreich - und
kann sich daher solche Rückschritte eher leisten.
Gerade jene reformschwachen europäischen Staaten, die finanziell
mit dem Rücken zur Wand stehen, haben bei ihren Pensionskosten die
tiefsten Einschnitte vorgenommen. Und da solche Reformen auf
Jahrzehnte hinaus wirken, ist es gut möglich, dass Italien und
Spanien in Zukunft besser dastehen werden als Frankreich oder
Deutschland. Österreich haben sie schon längst hinter sich gelassen.
Dafür marschiert die SPÖ-ÖVP-Koalition - im Gegensatz zu ihrem
deutschen Pendant - jetzt zumindest in die richtige Richtung. Das
nunmehr vereinbarte Ziel, das durchschnittliche Antrittsalter von
58,4 auf 60 Jahre zu heben, erfüllt die zentrale Forderung von
Pensionsexperten wie Bernd Marin, nicht die Pensionshöhen, sondern
die Pensionsdauer zu kürzen, indem man Menschen länger im
Arbeitsmarkt hält.
Ob diese Zielvorgabe tatsächlich erreicht und nicht nur durch
Statistiktricks erschwindelt wird, hängt von Maßnahmen ab, die noch
nicht beschlossen wurden, und deren späterer Umsetzung. Hier hat
Österreich bisher bei Pensionsanwärtern meist viel Nachsicht walten
lassen. Ob sich dies so rasch ändern lässt, ist fraglich.
Doch kein Land wird die Kosten der Alterung je in den Griff
bekommen, wenn es seinen Senioren nicht die Chance bietet, auch
tatsächlich länger zu arbeiten. In vielen Ländern wird derzeit die
Alters- von der Jugendarbeitslosigkeit überschattet. Doch während
junge Menschen irgendwann immer Arbeit finden, bleiben arbeitslose
Arbeitnehmer über 50 meist bis zu ihrem Lebensende ohne
Beschäftigung. Der Arbeitsmarkt für Ältere ist daher eines der ganz
großen Herausforderungen für alle Gesellschaften - und eine, über die
bisher viel zu wenig nachgedacht wurde.
Das Bonus-Malus-System für die Beschäftigung von Älteren, das in
Österreich nun kommen soll, ist ein wichtiger Schritt dorthin. Ob
sich dadurch wirklich etwas ändert, hängt wiederum von der Höhe der
Anreize und Strafen für Betriebe ab sowie von der Zahl der Ausnahmen,
die die Wirtschaftskammer noch durchsetzen kann. Aber auch ein
solches System kann erst ein Anfang sein. Gerade die
Sozialpartnerschaft ist dazu geeignet, einen umfassenden Aktionsplan
für ältere Arbeitnehmer auszuarbeiten, der etwa neue
Arbeitszeitmodelle und Berufsfelder schafft. Vielleicht kann
Österreich hier anderen Staaten ein Modell liefern, das sich
nachzuahmen lohnt.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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