Mittelbayerische Zeitung: Kampf um Madibas Erbe / Kommentar zu Nelson Mandela
Geschrieben am 06-12-2013 |
Regensburg (ots) - Wochenlang hielt die Welt im Juni den Atem an.
Südafrika bangte um Nelson Mandela, der in einem Krankenhaus in der
Hauptstadt Pretoria mit dem Tod kämpfte. Am Mittwoch nun starb
Madiba, wie er häufig bei seinem Clannamen genannt wurde, in seinem
Haus in Johannesburg. Südafrika trauert um den Vater seiner jungen
Nation, die Welt um einen der einflussreichsten Menschen des 20.
Jahrhunderts und vielleicht den letzten großen Helden unserer Zeit.
Der Kampf um sein Vermächtnis hat indes längst begonnen. Ein
groteskes Beispiel dafür bot ein Besuch von Südafrikas amtierendem
Präsidenten Jacob Zuma im April dieses Jahres. Ein sichtlich von
Krankheit gezeichneter Mandela sitzt nach einem zehntägigen
Krankenhausaufenthalt abwesend auf dem Sofa seines Hauses, umringt
von Führungskräften der Regierungspartei African National Congress
(ANC), die ungeniert in die Kamera grinsen. Die Nähe zu Mandela
bedeutete politische und moralische Legitimation, bedeutete Nähe zur
Macht. Auch 20 Jahre nach der Apartheid hat seine Bedeutung für
Südafrika nicht abgenommen. Unzählige Straßen, Plätze, Brücken und
ganze Regionen sind nach ihm benannt. Sein Konterfei ist
allgegenwärtig: Es blickt von jedem Geldschein, prangt auf
Hauswänden, T-Shirts, auf Fahnen und Schmuck. Nelson Mandela war der
kleinste gemeinsame Nenner in einem Land, das immer noch unter den
Folgen der Apartheid, mit Ungleichheit, Rassismus und einer hohen
Kriminalitätsrate leidet. Egal ob arm, ob reich, egal welche
Hautfarbe oder Herkunft: Auf Madiba als Vater der Nation konnten sich
alle einigen. Auch wenn Mandela in den vergangenen Jahren kaum in der
Öffentlichkeit auftrat, das Wissen um seine Existenz schien die
Menschen zu Versöhnung und Einheit zu mahnen; sei es nur, um Tata -
das Wort für Vater in Mandelas Muttersprache Xhosa - vor Kummer zu
bewahren. Der ANC, die seit Ende der Apartheid weitgehend
unangefochten regierende ehemalige Freiheitskämpferpartei, konnte
sich bei den Wahlen immer auf die Kraft ihrer historischen
Errungenschaften verlassen. Gerade die arme Bevölkerung machte ihr
Kreuz zuverlässig bei der Partei, die in der öffentlichen Wahrnehmung
als Symbol für den Kampf gegen und den Sturz des Apartheid-Regimes
gilt. Zu dieser Überlieferung gehörte ohne Zweifel auch der
Madiba-Bonus. Zwar hielt sich Mandela nach seinem Abschied vom
Präsidentenamt 1994 aus der Tagespolitik heraus. Doch gab es keine
Zweifel daran, dass er die Partei unterstützte, der er vor inzwischen
fast 70 Jahren als Jurastudent beitrat und für die er mit seinem
Leben eintrat. Die ANC- Führung war sich ihrerseits nie zu schade,
die Mandela-Karte zu spielen, wenn sie in Bedrängnis kam. Doch schon
bei der unwürdigen Vorstellung im April zeigten die Südafrikaner,
dass sie nicht gewillt sind, die kollektive Erinnerung an ihren
Volksheld von Zuma und seiner Partei gestalten zu lassen. Die
Reaktionen in den Zeitungen und sozialen Netzwerken waren voller Wut
und Trauer über die Zurschaustellung Mandelas. Der kranke Madiba, so
der Tenor, sollte nicht für Parteiwerbung benutzt werden, auch wenn
er den ANC bei Gesundheit gerne unterstützte. Dass die
Regierungspartei im Juni vor dem Krankenhaus in Pretoria
Partei-T-Shirts verteilte, stieß den Menschen ebenfalls sauer auf.
Der Umgang mit Madibas Erbe wird für alle Südafrikaner eine schwere
Aufgabe. Ihr Land, die moderne Republik Südafrika, gab es nie ohne
Nelson Mandela. Die Einheit in der Trauer um ihn ist als sein letztes
Vermächtnis ein Wegweiser in die Zukunft.
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Mittelbayerische Zeitung
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