Badische Zeitung: Jesus, Marx und die Große Koalition / Soziale Utopien kranken daran, dass sie die wirtschaftliche Knappheit ignorieren - Gastbeitrag von Lüder Gerken
Geschrieben am 20-12-2013 |
Freiburg (ots) - In wenigen Tagen wird das Lukas-Evangelium wieder
in aller Munde sein, denn in ihm steht die Weihnachtsgeschichte.
Weniger bekannt ist der Rest dieses Evangeliums. Dabei hat es -
gerade auch für Ökonomen - interessante Stellen zu bieten. Etwa Lukas
10, 38-42 zum Besuch Jesu bei Marta und Maria: Während Marta ihn
umsorgt, setzt sich Maria hin und hört ihm zu. Marta protestiert und
fordert Jesus auf: "Sage ihr doch, sie soll mir helfen!" Jesus
antwortet: "Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht
genommen werden." In der Bergpredigt sagt Jesus zu seinen Anhängern:
"Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen
habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt."
Und: "Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten
nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater
ernährt sie" (Matthäus 6, 25-26). Wirtschaftswissenschaftler sind es
gewohnt, alles und jedes unter Effizienz- und Nutzengesichtspunkten
zu sehen. Lassen wir also einmal die theologische Interpretation
außer acht und betrachten die Empfehlungen Jesu radikal ökonomisch.
Jesus fordert Marta auf, seine Worte zu konsumieren, statt durch
Arbeit eine Dienstleistung zu erbringen. In der Bergpredigt sagt er
seinen Jüngern, dass sie auch ohne die Produktion von Nahrung und
Kleidung und ohne Lagerhaltung konsumieren können. Ihre materiellen
Bedürfnisse würden schon befriedigt - irgendwie. Diese Vorstellung
liegt auch dem Kommunismus zugrunde, wie ihn zuerst Karl Marx und
Friedrich Engels verkündeten. Eindrucksvoll zeigt dies die visionäre
Vorstellung, dass es dem Menschen - der im Kapitalismus ja
bekanntlich ausgebeutet wird - im Kommunismus möglich sein wird,
"heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu
fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren,
wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker
zu werden" (Marx-Engels-Werke Band 3, Seite 33). Die heutige
Spaßgesellschaft lässt grüßen. Die Wirtschaftswissenschaft unterteilt
das Wirtschaftsleben gerne in zwei Problemkreise: Produktion und
Verteilung. Bei der Produktion geht es um die Frage, wie Arbeit und
Kapital möglichst effizient eingesetzt werden können, damit der
gesamtwirtschaftliche Wohlstand maximiert wird. Bei der Verteilung
geht es um die Frage, wie dieser gesamtwirtschaftliche Wohlstand so
auf die einzelnen Menschen verteilt werden kann, dass die Bedürfnisse
aller Menschen in der Summe möglichst weitgehend befriedigt werden.
Aufgabe der Politik soll es sein, dafür zu sorgen, dass beide Ziele
erreicht werden. Allerdings gibt es ein Problem: Produktion und
Verteilung lassen sich nicht voneinander getrennt steuern; beides
hängt untrennbar zusammen. Schlimmer noch: Sie stehen miteinander im
Konflikt. Denn je mehr die Politik von den Leistungsstarken zu den
Leistungsschwachen umverteilt, desto weniger motiviert sind die
Leistungsstarken. Das aber heißt, dass der Wohlstand geringer
ausfällt, als er sein könnte. Dies gilt auch für den
Koalitionsvertrag von Union und SPD: Mindestlohn, Einschränkung der
Leiharbeit, Frühverrentung, soziale Wohltaten für Mütter und mehr
erhöhen die Produktionskosten und senken so die Effizienz zum Wohle
der Umverteilung. Die Kommunisten haben diesen Zielkonflikt nicht
verstanden. Für Marx spielt nur die Umverteilung des erwirtschafteten
Wohlstands von Reich nach Arm eine Rolle; wie der Wohlstand
erwirtschaftet wird, kümmerte Marx nicht. Das führte ins Fiasko, wie
der Komplettzusammenbruch der Planwirtschaften in Osteuropa bewiesen
hat. Auch Jesus geht davon aus, dass seine Anhänger das Nötige zum
Leben konsumieren können, weil irgendjemand schon Nahrung und
Kleidung produzieren werde. Nur: Was würde passieren, wenn jeder auf
die Produktion verzichtete? Dann hätte es schon zu Jesu Geburt keine
Herberge, keinen Stall und keine Krippe gegeben, in die der Heiland
hätte gelegt werden können - so wie es uns die Weihnachtsgeschichte
erzählt. Das hätte immerhin dazu geführt, dass die Optimierung von
Produktion und Verteilung niemanden interessieren würde, also die
Zunft der Ökonomen nie entstanden wäre. Deren Arbeitskraft hätte also
produktiver eingesetzt werden können. Wobei wir allerdings schon
wieder in den Denkkategorien der Ökonomie stecken.
- Lüder Gerken ist Vorsitzender der Stiftung Ordnungspolitik.
Pressekontakt:
Badische Zeitung
Anselm Bußhoff
Telefon: 07 61 - 4 96-0
redaktion@badische-zeitung.de
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