Menschenrechtler stellen Strafanzeige gegen Münchner Spähsoftware-Hersteller Finfisher
Geschrieben am 16-10-2014 |
Berlin (ots) - Bahrainische Behörden spionierten deutsche Ziele
aus / 15 IP-Adressen in Deutschland mit Finfisher-Trojaner infiziert
Berlin, 16. Oktober - Wegen des Einsatzes von Spähsoftware gegen
Ziele in Deutschland haben Menschenrechtsorganisationen erstmals
Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Münchner Firma Finfisher gestellt.
Die Verantwortlichen hätten sich durch die Lieferung und Wartung des
Trojaners Finfisher an die bahrainische Regierung der Beihilfe zum
Ausspähen von Daten in Deutschland schuldig gemacht, heißt es in der
Strafanzeige der Organisationen European Center for Constitutional
and Human Rights (ECCHR) und Privacy International, die dem
Wirtschaftsmagazin 'Capital' (Ausgabe 11/2014, EVT 23. Oktober)
vorliegt. Diese datiert vom 13. Oktober.
Nach 'Capital'-Recherchen haben Behörden des Golfstaats Bahrain im
Jahr 2012 mehrere Ziele in Deutschland mit dem Trojaner Finfisher
ausspioniert. Aus öffentlich gewordenen Firmenunterlagen, die das
Magazin ausgewertet hat, geht hervor, dass 15 IP-Adressen aus der
Bundesrepublik von bahrainischen Stellen mit der Spähsoftware
infiziert wurden. Provider in 14 Fällen war die Deutsche Telekom, wie
der Konzern gegenüber 'Capital' bestätigte. Welche Personen oder
Unternehmen über die betroffenen IP-Adressen mit dem Internet
verbunden waren, lässt sich nach Angaben der Telekom nicht mehr
ermitteln.
"Ein solches Ausspähen von Daten ist strafbar", sagte der
Marburger Rechtsprofessor Christoph Safferling. "Wenn so etwas von
ausländischen Behörden betrieben wird, ist das nicht nur ein Angriff
auf den privaten Lebensbereich der betroffenen Personen", so
Safferling, "dann sind auch Interessen der Bundesrepublik Deutschland
betroffen. Damit liegt ein Fall für den Staatsschutz vor."
Nach Recherchen von 'Capital' wurden das Referat für Cyberspionage
beim Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt über den Fall
informiert. Sollten die Ermittler Hinweise auf elektronische Angriffe
fremder Nachrichtendienste finden, werde man prüfen, ob eine Straftat
wie etwa geheimdienstliche Agententätigkeit vorliege, sagte
Oberstaatsanwalt Marcus Köhler, Sprecher beim Bundesgerichtshof, auf
Anfrage des Magazins.
"Die Verantwortlichen haben die Finfisher-Software zur Überwachung
fremder, gesicherter Daten geliefert und sie durch Kundensupport
ständig funktionsfähig gehalten. Damit war ihnen auch bewusst, dass
es sich um eine unbefugte Ausspähung handelte", sagte Miriam
Saage-Maaß, Rechtsanwältin und stellvertretende Legal Director beim
ECCHR.
Deutsche Unternehmen gehören zu den weltweit führenden Anbietern
von Spähsoftware und anderen Überwachungstechnologien für
Geheimdienste und Sicherheitsbehörden. Insbesondere im arabischen
Raum sind ihre Produkte gefragt - auch bei Regierungen, die die
Produkte einsetzen, um Oppositionelle zu überwachen. Im Frühjahr
hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) angekündigt, Exporte
in Länder mit problematischer Menschenrechtslage schärfer zu
regulieren. Bislang gibt es für die Anbieter kaum
Exportbeschränkungen. "Die Spur zurück nach Deutschland
unterstreicht, dass eine effektive Exportregulierung in Deutschland
und der EU schon lange mehr als überfällig ist", sagte Christian
Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen.
Die Münchner Firma Finfisher - Nachfolgeunternehmen des
Finfisher-Entwicklers Gamma International - hat auf mehrmalige Bitten
von 'Capital', zu den Dokumenten Stellung zu nehmen, nicht reagiert.
Pressekontakt:
Matthias Thieme, Redaktion 'Capital'
Telefon 030 / 220 74 - 5116
E-Mail: thieme.matthias@capital.de
www.capital.de
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