Mittelbayerische Zeitung: Mit der Gefahr leben lernen / Die Ängste derzeit sind verständlich, aber irrational. Wir müssen uns eine gewisse Gelassenheit antrainieren. Leitartikel von Christine Straßer
Geschrieben am 18-11-2015 |
Regensburg (ots) - Der islamistische Terror trifft in Momenten der
Freude und Sorglosigkeit. Die Verunsicherung ist dramatisch. Wenn das
überhaupt möglich war, ist dieses Gefühl der Unsicherheit nach der
Absage des Länderspiels in Hannover noch gestiegen. Die ungeschickte
Nicht-Erklärung der Absage von Innenminister Thomas de Maizière tat
ihr übriges. Jetzt geht das mulmige Gefühl bei vielen mit auf dem Weg
ins Fußballstadion, in den Konzertsaal oder zum Weihnachtsmarkt.
Zumindest erlaubt es die Phantasie, sich viel auszumalen. In
schlaflosen Nächten laufen Szenarien vor dem inneren Auge ab, in
welchen Momenten es einen Anschlag geben könnte. Ist es zu gefährlich
mit der U-Bahn zu fahren? Sollte man es vermeiden, einen Zug oder ein
Flugzeug zu besteigen? Solche Ängste zu haben, ist verständlich. Es
wäre sogar unmenschlich, wenn sie nicht aufkämen. Aber ein Stück weit
ist die Angst, Attentatsopfer zu werden, auch irrational. Über diese
Angst zu sprechen, sie zu analysieren, ist notwendig, um sie in
Zukunft zu beherrschen. Denn das werden wir müssen. Um die
Verunsicherung zu überwinden, könnte es helfen, sich an ein Schulfach
zu erinnern, dass viele allzu gerne vergessen haben: die Mathematik.
Genauer gesagt die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Seit 2001 sind zwei
Menschen in Deutschland durch einen islamistischen Terroranschlag ums
Leben gekommen. Im selben Zeitraum verunglückten mehr als 6700
Radfahrer tödlich. Zudem: Seit 2001 starben in Deutschland rund 90
000 Menschen bei Unfällen im Haushalt. Die Wahrscheinlichkeit, in
Deutschland durch einen islamistischen Terroranschlag ums Leben zu
kommen, ist also im Vergleich extrem gering. Die logische
Schlussfolgerung: Deutschland ist sicher. Ganz so einfach ist es
natürlich leider nicht. Allein mit dem Hinweis auf mathematische
Faktoren verfliegt die Angst vor dem Terror nicht. Die gefühlte
Bedrohung ist schließlich eine ganz andere Sache als die tatsächliche
Bedrohung. Aber die Rückkehr zur Sachlichkeit, ist wichtig. In
Deutschland ist die Terrorgefahr für die Menschen nichts Vertrautes.
Den besonnenen Umgang damit müssen wir uns erst noch antrainieren.
Die Absage des Länderspiels ist vielleicht sogar ein richtiger
Schritt in diese Richtung. Es hilft in diesen Tagen womöglich auch,
sich daran zu erinnern, dass wir eine ähnliche Phase der
Verunsicherung ja Anfang dieses Jahres schon einmal erlebt haben. Das
war nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo und den jüdischen
Supermarkt in Paris. Damals wurden eine Pegida-Demonstration und eine
Gegenveranstaltung abgesagt. Genauso wie ein Karnevalsumzug in
Braunschweig. Auf ein Radrennen in Oberursel soll ein Bombenanschlag
geplant worden sein. Und die Bremer erlebten einen Aufmarsch
bewaffneter Polizisten. Alle, die für die Sicherheit in diesem Land
verantwortlich sind, sind nun wieder aufs Höchste angespannt. Was
vergangene Woche für unmöglich gehalten wurde, wird jetzt für möglich
gehalten. Ein Risiko möchte im Moment niemand eingehen. Deshalb ist
auch damit zu rechnen, dass es zu Entscheidungen kommt, von denen es
im Nachhinein heißt, dass sie übertrieben waren. Und:
Glücklicherweise hat sich der Alarm als falsch herausgestellt. Das
gehört dazu. So seltsam es klingt, aber wir müssen eine gewisse
Gelassenheit entwickeln und die Möglichkeit eines Terroranschlags als
Lebensrisiko hinnehmen. Angst ist keine Weltanschauung. Jedenfalls
keine, mit der man leben möchte. Anders gesagt: Es ist ja nicht
plötzlich falsch, ein Fußballspiel, ein Konzert oder einen
Weihnachtsmarkt zu besuchen. Das bedeutet ja zu leben. Und das ist zu
allen Zeiten, das Beste was man tun kann.
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