Rheinische Post: Kommentar /
Westen ohne Führung
= Von Martin Kessler
Geschrieben am 12-01-2017 |
Düsseldorf (ots) - Wer geglaubt hatte, Donald Trump würde als
gewählter Präsident zunehmend in die Rolle des Staatsmanns schlüpfen,
der sah sich nach der ersten Pressekonferenz eines Besseren belehrt.
Aggressiv, autoritär, polternd wies er die Frager zurecht, schnitt
einem kritisch nachfragenden CNN-Korrespondenten das Wort ab und
belehrte die Medienvertreter über die Relevanz von Nachrichten, etwa
über seine Steuererklärung. Das alles lässt nichts Gutes für die vier
kommenden Jahre ahnen. Mag sein, dass Trump keine Ideologie hat und
heute vertritt, was er gestern verteufelte. Aber Stil, Auftritt und
Haltung des künftig mächtigsten Mannes der Welt lassen befürchten,
dass sich die amerikanische Demokratie im Niedergang befindet. Ein
Umstand, der die Europäer und vor allem uns Deutsche nicht kalt
lassen darf. Denn die USA sind nun mal als Führungsmacht der Garant
für eine liberale und demokratische Welt. Wir dürfen am Ende nicht
von autoritären Regimes wie denen in Russland oder China abhängig
werden. Leider kann Trump mit seiner jetzigen Haltung diese Rolle
nicht auch nur ansatzweise ausfüllen. Es ist müßig zu fragen, ob der
45. Präsident die US-Demokratie schwächt oder ob er nicht vielmehr
Ausdruck einer geschwächten Demokratie ist. Der erste Angriffskrieg
eines Rechtsstaats, den sein Vorvorgänger Bush im Irak führte, der
rechtsfreie Raum im noch immer bestehenden Gefangenenlager von
Guantánamo und der Rückzug Obamas aus der Weltpolitik haben diese
Schwächephase eingeleitet. Dumm nur, dass keine andere Macht des
Westens die USA ersetzen kann - weder die zerstrittene Europäische
Union, noch das politisch schwache Japan und schon gar nicht die
Mittelmacht Deutschland. Man kann nur auf die Selbstheilungskräfte
der großen amerikanischen Nation hoffen. Doch da sieht es derzeit
düster aus.
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