(Registrieren)

Westfalen-Blatt: zu Helmut Kohl

Geschrieben am 16-06-2017

Bielefeld (ots) - Hans-Dietrich Genscher, Helmut Schmidt - und nun
Helmut Kohl. Deutschland trauert um den neben Konrad Adenauer wohl
größten unter den großen deutschen Politikern des vergangenen
Jahrhunderts. Die Deutschen verdanken ihm nichts weniger als die
heute so selbstverständlich gelebte Einheit, deren Zustandekommen ja
nun alles andere als selbstverständlich war. Dabei hat Deutschland
mit dem Kanzler der Einheit lange gefremdelt. Sein zu Beginn seiner
Regierungszeit bisweilen provinziell anmutender Habitus, der
pfälzische Dialekt - das war so ganz anders als der
hanseatisch-weltmännische Stil, den sein Amtsvorgänger Helmut Schmidt
pflegte. Sogar als »Birne« wurde er von seinen linken Kritikern
geschmäht. Eine Abneigung, die ganz auf Gegenseitigkeit beruhte. Wie
Schmidt gehörte Kohl zur Kriegsgeneration. Nie wieder dürfe es ein
solches Blutvergießen geben - darin waren sich beide einig. Der
Schrecken des Krieges machte Kohl zum überzeugten Europäer. Dass die
deutsche Einheit - wenn überhaupt! - nur in Frieden gemeinsam mit den
Europäern gewonnen werden könnte, war Richtschnur seines Handelns.
Kohl hat es geschafft, zugleich deutscher Patriot und überzeugter
Europäer zu sein. Die Tränen, die ihm übers Gesicht rannen, als er
1984 Hand in Hand mit dem französischen Präsidenten François
Mitterrand auf dem Gräberfeld von Verdun stand, waren Ausdruck
tiefster Bewegung. Dabei war der Riese aus Oggersheim niemals
zimperlich in seinem Handeln - weder als CDU-Vorsitzender noch als
Politiker. Als die Sowjetunion vor dem Zusammenbruch stand, nutzte
Kohl die Gunst der Stunde. Mit Diplomatie, Geschick und persönlichem
Einsatz. Sogar die D-Mark gab Kohl zugunsten des Euro auf, um die
Nachbarn zu beschwichtigen, denen die wirtschaftliche Stärke eines
wiedervereinigten Deutschlands suspekt war. Es ist eine Ironie der
Geschichte, dass Kohl am Ende abgewählt wurde, weil sich die Einheit
als teures Unterfangen erwies und die versprochenen »blühenden
Landschaften« sich während seiner Amtszeit nicht einstellen wollten.
Doch Kohl sollte recht behalten: Wirtschaftlich wie sozial steht die
Einheit heute auf einer soliden Basis, und Deutschland ist
wirtschaftlich so stark wie nie. Gewiss: Auch die
Parteispendenaffäre, die die CDU in den politischen Abgrund stürzte
und letztlich Angela Merkel an die Macht brachte, gehört zur
Würdigung von Helmut Kohls Leben. Sein Ehrenwort, mit dem er die
heimlichen Spender schützte und sich zugleich über das Gesetz
stellte, ist ein nicht zu tilgender Fleck auf seiner Biographie. Doch
heute ist nicht der Tag für Auf- und Abrechnungen. Heute ist der Tag
des Gedenkens und des Dankes. Sein europäisches Erbe ist und bleibt
eine Verpflichtung. Deutschland verneigt sich vor dem Kanzler der
Einheit.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

614820

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): Koalitionsvertrag der künftigen schwarz-gelben Regierung Neuanfang mit Schwächen Lothar Schmalen,Düsseldorf Bielefeld (ots) - Respekt! Gerade einmal ein Monat ist seit der Landtagswahl in NRW vergangen - und schon liegt der 121 Seiten starke Koalitionsvertrag der künftigen schwarz-gelben Landesregierung auf dem Tisch. Im Eiltempo haben CDU und FDP Hürden bei der Zusammenarbeit aus dem Weg geräumt. Im Koalitionsvertrag selbst gibt es Licht, aber auch viel Schatten. Zu den Pluspunkten zählt sicher, was die Partner im Bereich Bildungspolitik vereinbart haben: Die Rückkehr zum G9-Abitur, eine klügere Inklusionspolitik an den Schulen und der mehr...

  • Westfalen-Blatt: zu Schwarz-Gelb in NRW Bielefeld (ots) - Ein Koalitionsvertrag ist etwas anderes als erfolgreiche Regierungsarbeit, aber dennoch darf man festhalten: Ein Anfang ist gemacht in NRW - und mit diesem Anfang können CDU und FDP zufrieden sein. Drei Wochen und sieben Verhandlungsrunden genügten: Erstaunlich schnell haben die Überraschungssieger vom 14. Mai zueinander gefunden. Der böse Verdacht, Christdemokraten und Liberale könnten sich mit Blick auf die Bundestagswahl im September auf eine Verschleppungstaktik einlassen und die Bildung einer Koalition in Düsseldorf mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl ist tot Der Mantel der Geschichte Thomas Seim Bielefeld (ots) - Helmut Kohl füllte jeden Raum. Er beherrschte seine Umgebung. Das war seine Stärke - und seine größte Schwäche. Der Kanzler der Einheit ist tot. Er starb im Alter von 87 Jahren. Niemand lenkte bislang die Geschicke der zweiten, erfolgreichen Republik in Deutschland so lange und so uneingeschränkt. Deutsche Einheit, europäische Einigung, der Euro - all diese politischen Leistungen sind mit dem Namen Helmut Kohls verbunden. Sicher, diese historischen Errungenschaften sind dem Kanzler der Einheit als Ergebnis der erfolgreichen mehr...

  • ARTE gedenkt Helmut Kohl Strasbourg (ots) - ARTE trauert um den ehemaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl, der gemeinsam mit dem ehemaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterrand Gründervater unseres Senders ist. In einer gemeinsamen Initiative gaben die beiden Staatsoberhäupter kurz nach dem Mauerfall im Jahre 1990 den Anstoß zur Gründung des "europäischen Kulturkanals" ARTE. In einem zusammenwachsenden Europa sollte ARTE die Beziehungen zwischen Deutschen und Franzosen stärken und den Bürgern Europas ein gemeinsames Kulturprogramm mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar: Zerrissene Grüne Düsseldorf (ots) - Der Blick in den Abgrund hat die Grünen noch nie davon abgehalten, noch einmal gründlich und strittig zu diskutieren. Daher kann man auch von dem Parteitag an diesem Wochenende nicht erwarten, dass sich die Grünen angesichts ihrer schlechten Umfragewerte nun besonders diszipliniert und geschlossen zeigen. Im Gegenteil: Die Partei ist zerrissen. Mit der Wahl von Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt zu Spitzenkandidaten hat die Ökopartei ein für die Öffentlichkeit klares Signal gesetzt, dass sie bereit ist, mit mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht