Allg. Zeitung Mainz: Freiwillig / Kommentar von Reinhard Breidenbach zur Organspende
Geschrieben am 06-05-2019 |
Mainz (ots) - Etwa 10 000 Kranke haben den Tod vor Augen, weil
kein Spenderorgan zur Verfügung steht. Eine Katastrophe. 80 Prozent
der Deutschen befürworten Organspenden. Aber nur ein Bruchteil von
ihnen besitzt auch selbst einen ausgefüllten Organspendeausweis. Man
kann ruhigen Gewissens argumentieren, Letzteres sei ein
Armutszeugnis, zeige mangelhaftes Reflektieren oder Faulheit. An
dieser Argumentation ist ein Stück Wahrheit. Zur Wahrheit gehört aber
auch: Das grundgesetzlich geschützte Selbstbestimmungsrecht reicht
über den Tod hinaus und ist sehr stark. So stark, dass es
verfassungsrechtlich und ethisch extrem heikel wäre, wenn der
Gesetzgeber schlankweg hinginge und - Widerspruchslösung - aus dem
Schweigen eines potenziellen Organspenders ein "Ja" zur Organspende
interpretieren wollte. In manchen Staaten wird dies so gehandhabt,
Argument: eine Art Staatsnotstand, hervorgerufen durch zu geringe
Spendenbereitschaft und die daraus resultierende lebensgefährliche
Situation tausender Kranker. Diese Sichtweise wiegt schwer und ist
menschlich absolut verständlich - aber sie bleibt heikel, sie bleibt
ein extrem schmaler Grat. Politiker haben nun einen Gesetzentwurf
vorgelegt, der das Prinzip der Freiwilligkeit bei der Organspende
bewahren will. Diesem Entwurf muss eine Chance gegeben werden. Falls
er nicht dazu führt, dass sich die Bereitschaft zur Organspende in
notwendigem Umfang erhöht, bliebe die Widerspruchslösung. Legitimiert
werden könnte sie aber nur von einer sehr breiten Mehrheit im
Parlament und einem sehr überzeugten "Ja" des
Bundesverfassungsgerichts.
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