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WAZ: Gesetz zur Datenspeicherung Vorsorglich verdächtig - Leitartikel von Christopher Onkelbach

Geschrieben am 09-11-2007

Essen (ots) - Wozu die Aufregung? Wer nichts Böses im Schilde
führt, wird durch das Gesetz nicht behelligt, mag mancher denken.
Doch so einfach ist das nicht. Der Staat sichert sich einen
umfassenden Zugriff auf die Kommunikation seiner Bürger, und dies
bringt in mindestens drei Punkten eine neue Qualität in die
Datenüberwachung.

Erstens: Ab 2008 wird sechs Monate lang gespeichert, wer mit wem
geredet hat, wo er sich dabei aufhielt, an wen er E-Mails verschickte
und von wem er sie bekam. Diese Daten werden auf Vorrat angelegt. Das
heißt, sie werden zum Zweck einer möglichen Strafverfolgung
aufbewahrt. Auf sie zugreifen können Strafverfolgungsbehörden nur
dann, wenn sie eine richterliche Anordnung besitzen. Dies schützt den
Bürger davor, unschuldig ins Ermittlungsraster zu geraten. Aber:
Geheimdienste benötigen kein richterliches Okay. Man muss nicht unter
Verfolgungswahn leiden, wenn man sagt: Dies öffnet Wege für eine
gewisse Willkür.

Zweitens: Das Gesetz ist ein nicht unbedeutender Eingriff in die
Grundrechte der Menschen. Denn die Speicherung der Daten erfolgt
unabhängig von Hinweisen auf eine Straftat, da sie vorsorglich
geschieht. Dies halten Rechtsexperten für höchst bedenklich. Das
Gesetz erfasst die gesamte Bevölkerung und greift damit in die
Privatsphäre ein ohne einen Tatverdacht. Ob die Verfassungsrichter
eine solche Regelung durchwinken werden, ist noch nicht gesagt.

Drittens: Es gibt Leute, die von Berufs wegen Geheimnisse
bewahren müssen, etwa Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten. Im
Gegensatz zu Abgeordneten, Strafverteidigern oder Seelsorgern soll
für sie aber nur ein "eingeschränktes Erhebungs- und
Verwertungsverbot" gelten. Dagegen protestierten diese Berufsgruppen
heftig - zu Recht. Gespräche zwischen Patient und Arzt, Mandant und
Anwalt, Informant und Journalist sind auf absolute Vertraulichkeit
angewiesen. Wenn alles, was über Telefone, Handys und Computer einer
Redaktion läuft, von Ermittlungsbehörden eingesehen werden kann, ist
diese Vetraulichkeit verletzt, was letztlich auch die grundgesetzlich
geschützte Pressefreiheit berührt.

Grundsätzlich ist der Staat verpflichtet, seine Bürger vor
Gefahren zu schützen. Das Gesetz, so argumentiert die Regierung, soll
den Staat im Kampf gegen den Terror stärken. Doch stellt sich die
Frage, ob hier Vorsorge wirklich nur Fürsorge meint oder ob sie auch
eine Begründung dafür ist, in Grundrechte einzugreifen. Dass die
Behörden beteuern, man werde verantwortungsvoll damit umgehen, kann
kaum beruhigen.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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