WAZ: Die SPD und ihr Kandidat - Frank-Walter Steinmeier - Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 07-09-2008 |
Essen (ots) - Außenminister sind keine Rummelboxer. Außenminister sind auch keine Visionäre. Außenminister, das sind Handwerker. Außenminister sind die Tischler der Weltinnenpolitik. Außenminister ist Frank-Walter Steinmeier seit drei Jahren. Er ist ein guter Außenminister. Frank Walter-Steinmeier ist der Sohn eines Tischlers.
Tischler haben die Füße auf dem Boden, genau wie die Werkstücke, die sie herstellen. Industrie-Manager, das ist eine Luft- und Lounge-Elite. Handwerker dagegen heben nicht ab, sie stehen im Leben und sehen, was sie jeden Tag machen. Ländliche Handwerkerfamilien sind meistens eine stabile Angelegenheit. Ihre Kinder erziehen sie in großer Geborgenheit. Aus einer solchen Familie stammt Frank-Walter Steinmeier.
Gerhard Schröder entstammt dem Proletariat, dem "Lumpenproletariat", schreibt der Spiegel. Er hat sich nach oben gekämpft - rabiat, rücksichtslos. Am Zaun des Kanzleramts hat Steinmeier nie gerüttelt. So etwas hält er für ungehörig. Steinmeier ist bürgerlich dezent, viel mehr ein Lipper als Schröder, der auch von dort kommt. Lipper machen nicht viele Worte, wenig Aufhebens um sich selbst, und sind verlässlich. Schröders langjähriger Diener ist in vielem Schröders Gegenteil.
Die SPD hat eine Vision. Sie glaubt an eine bessere Welt. Und sie glaubt, dass es menschenmöglich ist, eine bessere Welt herzustellen. Die SPD ist eine romantische Partei. Frank-Walter Steinmeier hat keine Vision. Er ist, wie Helmut Schmidt, kein Romantiker. Große Würfe lehnt er darum ab. Er ist ein nachdenklicher Skeptiker. Ein Rückversicherer. Der Kanzlerkandidat der SPD ist in vielem das Gegenteil der SPD.
Auch die Hartz-Gesetze sind nicht romantisch. Sie wurden aus der Not geboren. Sie sind eine Kopfgeburt von Bürokraten. Schlecht erklärt wurden sie erst hinterher. Die SPD und die Hartz-Gesetze, das sind zwei Welten. Nun macht sich die SPD ausgerechnet den Architekten der Hartz-Gesetze zu ihrem Hoffnungsträger. Auch der sympathische Steinmeier ist aus der Not geboren.
Steinmeier kommt, die Lage bleibt. Wie verhält sich die SPD zur Linkspartei? In Hessen und überall sonst. Wie füllt sie ihren Markenkern, das Soziale? Und will sie das überhaupt, eine weitgehend streitfreie Existenz? Frank-Walter Steinmeier ist jetzt Kanzlerkandidat. Er ist es ein ganzes Jahr lang. Ein gutes Jahr sogar: 385 Tage, das sind 9240 Stunden; 554 400 Minuten; 33 264 000 Sekunden. Eine lange Zeit also.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: 0201 / 804-2727 zentralredaktion@waz.de
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