WAZ: Schmidt und Lafontaine - Ende der Diskussion - Leitartikel von Christopher Onkelbach
Geschrieben am 15-09-2008 |
Essen (ots) - Mit Nazi-Vergleichen greift man eigentlich immer in die braune Soße. Das war bei Herta Däubler-Gmelin so, die US-Präsident George W. Bush Politikmethoden im Stile Hitlers vorwarf. Das war bei Kardinal Meisner so, der moderne Kunst als tendenziell entartet bezeichnete. Und das war bei Lafontaine so, der 1982 dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt "Sekundärtugenden" zuschrieb wie Pflichtgefühl, Berechenbarkeit und Standhaftigkeit - mit denen man auch ein KZ betreiben könne.
Ob Schmidt mit seinem Angriff auf Lafontaine nun eine verspätete Retourkutsche startete oder nicht, spielt hier keine Rolle. Man sollte jenseits aller Aufregung einmal genau hinhören, was Schmidt eigentlich so Schlimmes gesagt hat. Er hat gesagt: "Dass Charisma für sich genommen noch keinen guten Politiker ausmacht." Das ist nichts Falsches. Charisma ist zunächst einmal ein positiver Charakterzug, eine schätzenswerte Eigenschaft, die sich allerdings politisch instrumentalisieren lässt. Und da regt sich bei einem Kopfmenschen wie Schmidt das politische Unbehagen. Zu Recht. Die prompte Reaktion der Linken auf Schmidts Äußerungen war dagegen plump persönlich. Ihm den Mund verbieten zu wollen und den Altbundeskanzler "alterssenil" zu nennen, ist eine Beleidigung.
Wenn man es genau nimmt, hat Schmidt den US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama wesentlich heftiger attackiert. Der werde "allein mit Charisma zu einer nationalen Figur". Wer die Sache auf die Spitze treiben will, müsste hier den eigentlichen Skandal entdecken. Dass aber dem Hamburger Schmidt ein Politspektakel à la Obama tief suspekt sein muss, verwundert wenig. Da ist ihm zu viel Show, zu viel Gefühl, zu viel Glamour und zu wenig seriöse, harte Politarbeit.
Wenn man Schmidt etwas vorwerfen muss, dann dies: Das ganze Geschrei, das gesetzmäßig im Anschluss an einen mehr oder weniger verunglückten Nazi-Vergleich anhebt, signalisiert vor allem eines - das Ende jeder Auseinandersetzung. Fällt in einer politischen Debatte ein Nazi-Wort, ist die inhaltliche Diskussion vorbei. Es ist ein Statement, eine Feststellung, ein Urteil und ein Stigma. Wer auf diese Weise angesprochen wird, dem bleibt keine andere Reaktion als beredtes Schweigen oder sinnlose Empörung. Eine faire politische Diskussion ist nicht mehr möglich. Der alte Fuchs Schmidt weiß das ganz genau. Ein "Mann des Arguments", wie Schmidt sich selbst beschreibt, ist er hier nicht gewesen.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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