LVZ: Leipziger Volkszeitung zum Tabakwerbeverbot
Geschrieben am 13-06-2006 |
Leipzig (ots) - Werbezensur Von Micha SchneiderIch rauche, leider - trotz des Warnhinweises auf jeder Schachtel. Meine beiden Töchter rauchen nicht, Gott sei Dank - trotz Tabakwerbung. Es ist eine individuelle Entscheidung, die den Griff zum Glimmstängel bedingt. So ist der zu erwartende Entscheid des Europäischen Gerichtshofs kein Allheilmittel gegen die gesundheitsgefährdende Sucht. Dabei haben die Richter keineswegs über die unbestritten gesundheitsschädigenden Wirkungen des Nikotins zu befinden - es ging einzig darum, Zuständigkeiten zu klären. Sicher fürchtet die Zigaretten-Lobby um ihre Pfründe. Der lang anhaltende Widerstand aus Berlin fußt aber in erster Linie auf dem Kampf gegen eine de facto Werbezensur. Hier könnte ein Anfang gemacht werden, dem bald Alkohol, fettes Essen, überzuckerte Produkte, gefährliche Sportarten, Autos (jährlich zehntausende Tote in der EU), Glücksspiele, Handys (oft eine Schuldenfalle) folgen könnten. Gesundheitliche, moralische, politische oder wirtschaftliche Gründe lassen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln schnell für Eingriffe in die Werbefreiheit finden. Die hektische Betriebsamkeit der Brüsseler Entscheidungsträger, die in ihrer Regelungswut bisher weder dafür gesorgt haben, dass man ohne Steckdosen-Adapter durch Europa reisen kann, noch dass man dabei auf einheitliche Verkehrsschilder trifft, verwundert nur auf den ersten Blick. Es geht ihnen um Erbhöfe und Kompetenzen in ihrem Gleichschaltungsbestreben. Pikant, dass sie dabei nach wie vor Tabakbauern mit einer Milliarde Euro fördern. Zweifelhaft ist zudem, ob ein Werbeverbot wirklich einen gesundheitspolitischen Effekt bringt. In erster Linie bewirkt die Tabakwerbung eine Umverteilung zwischen den Marken, ähnlich wie beim Bier. Wenn ein Reklameverbot durchgesetzt werden soll, dann muss konsequenterweise zuerst das Produkt verboten werden. Doch das fürchten nicht zuletzt die 25 europäischen Finanzminister, die saftige Einnahmen aus der Tabaksteuer in ihren Budgets fest eingeplant haben. Ein mitunter diskutiertes generelles Rauchverbot würde in der Realität verpuffen. Das Alkoholverbot in den USA schuf nur eine äußerst lukrative Geldquelle für Gangster. Sinnvoll ist statt eines Verbots wirksamer Nichtraucherschutz und offensive Werbung gegen das Rauchen. Da wartet man noch immer vergeblich auf ähnlich witzig-spritzige Spots, wie sie in der Aids-Aufklärung laufen. Dies könnte dazu beitragen, dass meine Töchter Nichtraucher bleiben und mein Enkel erst gar nicht anfängt zu paffen.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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