Müntefering bei n-tv: Nicht sinnvoll, jetzt über ein drittes Konjunkturprogramm zu sprechen / Vorab-Zitate von Franz Müntefering aus "Heiner Bremer - Unter den Linden 1" / TEIL 1
Geschrieben am 05-04-2009 |
Berlin (ots) - Franz Müntefering, SPD-Vorsitzender, heute im n-tv-Talk "Heiner Bremer - Unter den Linden 1"
zum G20-Gipfel:
"Der Gipfel war richtig und hat die richtigen Sachen angesprochen. Jetzt müssen sie allerdings auch realisiert werden. International [...], europäisch, aber auch national. Und da kritisiere ich, dass wir seit Wochen darauf warten, dass das Gesetz zur Bekämpfung von Steueroasen ins Kabinett eingebracht wird."
Zur Glaubwürdigkeit des Handelns von Angela Merkel in der Frage der Bekämpfung der Steueroasen:
"Vielleicht ist es für die Kanzlerin leichter, solche Dinge international zu tun, als sie in der Koalition, in der eigenen Partei, in der eigenen Union durchzusetzen. Meine Erwartung ist, dass sich da jetzt etwas in Bewegung setzt. Die zweite Chance hat sie ja."
Zur Furcht vor einer neuen Inflation:
"Es ist ein schmaler Grat, auf dem wir als Politiker laufen. Für das was da stattgefunden hat, gibt es kein Lehrbuch. Deshalb muss man versuchen, mit Fachleuten zusammen die richtigen Wege zu finden. Das was wir bisher auf der Bundesebene getan haben, ist die richtige Antwort gewesen: Zuversicht geben, auch Stabilität soweit wie möglich, Konjunktur anzustoßen. Aber jetzt müssen wir auch den nächsten Schritt tun, nämlich die internationalen Finanzmärkte so regulieren, dass so etwas nicht wieder passieren kann. Und dann hoffen, dass wir in absehbarer Zeit auch wieder Wachstum und Konjunktur gewinnen und daraus auch wieder neue Stabilität. Wir dürfen nicht auf ewig die neuen Schuldenberge aufbauen."
Zur Frage, ob die bisherigen Maßnahmen schon Weichenstellung für eine ganz neue Marktordnung seien:
"Bei uns im Lande kommt zum Beispiel die Frage der Manager-Gehälter hinzu, der Umgang mit Boni. Wir müssen wieder lernen, dass Unternehmen nur erfolgreich sind, wenn sie über fünf oder acht Jahre im Schnitt erfolgreich gewesen sind. Wir müssen wieder dafür sorgen, dass die kleinen und mittleren Unternehmen Kredite bekommen. [...] Die KfW hat viel Geld, was wir ihr zur Verfügung stellen, sie kann es aber nicht weitergeben, weil die Hausbanken nicht im nötigen Umfang dafür sorgen, dass die kleinen und mittleren Unternehmen das Geld auch bekommen können.
Wir müssen die eigene Wirtschaft wieder in Bewegung bekommen. Und der momentane Ausschlag bei den Banken von der großen Leichfertigkeit, geradezu dem Ansporn vom Geldausgeben zu einer sehr strikten Zurückhaltung gegenüber den Unternehmen, der ist für die Wirtschaft eine große Last."
Zur (vorgetäuschten?) Einsichtigkeit und Lernfähigkeit der für die Krise mitverantwortlichen Banker:
"Mir gefällt das alles nicht. Ich will nicht ungerecht sein, aber ich erlebe eine Mischung von Unwissenheit, Unfähigkeit und nicht besonders viel Mut - um nicht zu sagen Feigheit. Ich finde, diese großen Leute, die uns über Jahre erzählt haben, was wir alles für Dummköpfe sind, und wie sehr sie die Welt mal eben locker beherrschen können, die sollten mal eine anständige Analyse machen. War es Gier, die dazu geführt hat? War es Unfähigkeit, Pyromanie oder Gangstertum? Ich weiß es nicht. Eine Mischung von allem. Milliarden, die zu Lasten von ordentlichen Unternehmern und kleinen Leuten versenkt worden sind - das ist kriminell, überhaupt keine Frage. Und die große Analyse aus diesem Bereich derer, die das Ganze mit verursacht haben, fehlt mir noch."
Zum Ziel von Marktregulierungen:
"Wettbewerb muss ein klares Ziel haben. Das klare Ziel muss auch sittlichen Normen genügen. Wirtschaft und Geld sind für den Menschen da und nicht umgekehrt. Wenn man das erreichen will, braucht man klare, faire Regeln. Das macht der Markt nicht. Er ist an sich nicht fair oder sozial. [...] Und deshalb müssen wir wieder von der Konstruktion weg, dass das Geld nicht mehr nur Zahlungsmittel ist, sondern ein eigenes Produkt. Die Finanzindustrie muss der Wirtschaft und den Menschen dienen. Und das was wir bei uns in der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland einigermaßen hinbekommen haben, das muss auch die Regel werden für das, was in Europa und weltweit stattfindet."
"Die Grenzen sind auf und das Geld ist weltweit unterwegs [...]. Die Welt muss eine Formel finden, demokratisch legitimiert, diese Dinge in Europa und global zu regeln. [...] Ob wir diese neue Form von Kapitalismus in den Griff bekommen, hängt davon ab, ob wir es schaffen, international zusammenzuwirken."
"Helfen wird uns, wenn demokratisch Legitimierte - das sind die Politiker - den Primat der Politik auch wieder durchsetzen können. Wenn wir entscheiden können - bei allen Schwächen die wir haben - wie die Wirtschaft und das Finanzwesen weltweit funktionieren sollen. [...] Da kann man nur um Vertrauen der Menschen bitten, dass sie uns dazu die Chance geben."
Zu Forderungen nach weiteren Konjunkturprogrammen:
"Das zweite Konjunkturprogramm ist ja noch gar nicht in Kraft. [...] Das was wir da machen, ist ein dicker Brocken. [...] Nein, das Wichtigste, das wir hinkriegen müssen, ist, dass unsere normale Wirtschaft wieder läuft und dass der Markt Europa uns erhalten bleibt."
"Für uns ist ein drittes nationales Konjunkturpaket im Moment nicht das Dringendste, sondern wir müssen sehen, dass unsere europäischen Märkte stabil bleiben."
"Ich finde es nicht sinnvoll, jetzt über ein drittes Programm zu sprechen. Das was wir haben, muss jetzt in den Städten und Gemeinden umgesetzt werden. Da werden wir einige Monate Entlastung haben. Aber richtig ist, dass man nicht weiß, wie schnell es wieder bergauf geht, und dass wir an einen Punkt kommen, wo die Kurzarbeiterregelung auch nicht mehr ganz so weit trägt, weil sie auch immer noch eine Last für die Unternehmen bedeutet."
Zum Fall Opel und seiner Rettung durch die Steuerzahler:
"Wenn es anders geht, wenn es private Investoren gibt, dann umso besser. Davon dass Opel Europa lebensfähig ist, sind wir überzeugt. Die Schwäche Opels kommt daher, dass dort Geld abgezogen worden ist zu General Motors in die USA. Und da muss ein Abschottungskonzept her. Da muss klar sein, dass das nicht mehr passieren kann, dann wird Opel Europa auch leben können."
"Wir sollten alles dafür tun, unsere Industrialisierung zu halten. Das sind ja nicht nur die 28.000 bei Opel, da sind ja noch 140.000 [Arbeitsplätze] in den Zulieferbetrieben. Und wenn das weg bricht, dann werden da in Deutschland fünf große Krater sein, die man lange nicht durch etwas anderes ersetzen können."
"Die Parole 'entweder helfen wir allen oder keinem' funktioniert nicht. Sie müssen die systemrelevanten Punkte treffen."
"Opel ist systemrelevant, insofern als dass es ein großer Teil unserer Industriegesellschaft ist. Wenn sie diese 140.000, 150.000 Arbeitsplätze insgesamt kaputt gehen lassen, und zwar sehr konzentriert an fünf, sechs Orten oder Regionen, dann wird das große Löcher reißen und das werden sie nicht einfach wieder hinbekommen. Es wird auch für die Psychologie in dieser Situation eine einzige Katastrophe sein. Und dieser Teil der Stabilität den wir haben, der hilft uns natürlich auch bei der Bewältigung der ganzen Dinge. Also versuchen zu retten, so weit es geht zu helfen. Ich hoffe, dass private Investoren da sind, aber nötigenfalls muss der Staat auch bereit sein, sich dort hinein zu schmeißen - direkt oder indirekt. Besser, wenn es anders geht."
Diese Zitate sind frei mit dem Hinweis auf n-tv.
"Heiner Bremer - Unter den Linden 1" wird heute um 23.15 Uhr sowie morgen um 17.10 Uhr bei n-tv ausgestrahlt.
Originaltext: n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/8180 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_8180.rss2
Pressekontakt: Sonja Friedrich Referentin Presse & Kommunikation 0221-91522620 Sonja.Friedrich@n-tv.de
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