Lausitzer Rundschau: Die Stasi-Akte des Ohnesorg-Todesschützen / Eine traurige Geschichte
Geschrieben am 25-05-2009 |
Cottbus (ots) - Die jüngsten Aktenfunde in der Behörde für die Stasi-Unterlagen erzählen eine dieser unglaublichen Geschichten, die nur das wahre Leben schreiben kann. Es muss allerdings nach den Enthüllungen über das heimliche Leben des einstigen West-Berliner Polizeioberkommisars und Todesschützen Karl-Heinz Kurras nicht die Geschichte der Bundesrepublik neu geschrieben werden. Sicher hätte sich manches anders ereignet, wäre schon 1967 bekannt geworden, dass ein SED-Genosse verantwortlich war für den ersten Märtyrer der westdeutschen Studentenbewegung. Nur lag es in der Natur der Sache, dass vieles damals nicht offenbar wurden. Und der 2. Juni 1967 taugt auch nicht für Verschwörungstheorien. Für die Stasi-Chefs war er eine der Pannen bei ihrer Wühltätigkeit im Westen - ähnlich der des Rücktritts von Willy Brandt, dem man einen Spion auf den Hals gehetzt hatte. Die Episode, der der ganz und gar unschuldige Benno Ohnesorg zum Opfer fiel, hat dennoch lehrreichen Charakter. Zeigt sie doch noch einmal, wie anfällig in Ost wie West damals die Menschen waren für Lügen und Vorurteile. Kurras, der sich als treuen Kommunisten begriff, hatte wenig Probleme damit, dem Protest gegen den persischen Schah mit einem Kopfschuss zu begegnen. Er mutierte vom klassenbewussten Genossen zum schießwütigen deutschen Spießer, der bei so ziemlich jedem Regime anzutreffen ist, und entlarvt das Gerede von der internationalen Solidarität als Phrase. Die Westberliner Politiker, Gewerkschaftsfunktionäre und Journalisten, die sich schützend vor ihn stellten und eine Bestrafung verhinderten, halfen einem charakterlosen Verräter. Heute, mehr als 40 Jahre danach, läuft ein Mann durch Berlin, der zwar mit einer Beamtenpension ausgestattet ist, aber wenig verstanden hat von dem, was ein demokratisches Gemeinwesen ausmacht, das von staatlicher Gewalt den Schutz der Menschenwürde fordert. Karl-Heinz Kurras ist ein Relikt einer anderen Zeit und eines anderen Deutschlands. Die Bedenkenlosigkeit, mit der 1967 ein Menschenleben geopfert wurde und auch die Kaltschnäuzigkeit, mit der politische Vorurteile gepflegt wurden, ist hoffentlich genauso Vergangenheit wie jenes Ministerium für Staatssicherheit, das dem Todesschützen einst zu einem Leben voller Lügen führte.
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