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Westdeutsche Zeitung: Berlusconi = von Alexander Marinos

Geschrieben am 27-05-2009

Düsseldorf (ots) - Es kommt nicht allzu oft vor, dass ein
Regierungschef von der ausländischen Presse härter kritisiert wird
als von der einheimischen. Andererseits ist das im Fall Berlusconi
auch wieder nicht so überraschend: Schließlich gehören ihm
praktischerweise die wichtigsten Medien Italiens. Dass der Cavaliere
(italienisch "Ritter") kurz vor der Europawahl trotzdem
innenpolitisch in Bedrängnis gerät, weil er blutjungen Models nicht
widerstehen kann, ist allein seiner Frau zu verdanken, die härter
gegen ihn vorgeht als italienische Journalisten und Oppositionelle.
Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man sich über diesen Mogul, der
in seiner eigenen Telenovela die Hauptrolle spielt, kaputtlachen.
Was hat dieser Mann nur angestellt mit dem einst so stolzen Italien?
Oder besser gefragt: Wie kann es sein, dass sich dieses Kernland der
EU mit seiner reichen Kultur von einem hemmungslos egozentrischen
Machtmenschen dominieren lässt? Man kann es ja lustig finden, wenn
ein italienischer Ministerpräsident einer deutschen Kanzlerin hinter
einer Säule auflauert und sie dann mit einem "Kuckuck" erschreckt.
Spätestens dann aber, wenn er Vergewaltigungen im eigenen Land als
unvermeidbar bezeichnet, weil die Frauen Italiens so schön seien,
wenn er ein Erdbebengebiet mit einem Campinglager vergleicht oder
Flüchtlingslager mit KZs, hört der Spaß auf. Dann ist das nicht nur
einfach peinlich, sondern vielmehr ein Beleg für die Abwesenheit von
Anstand und Moral.
Ja, Berlusconi hätte einen Dämpfer bei der Europawahl verdient - aber
nicht wegen angeblich amouröser Abenteuer mit einer 18-Jährigen. Er
hätte sie verdient, weil er politische Gegner diffamiert. Weil seine
Fernsehsender nicht Bildung befördern, sondern Dummheit. Weil er
andere Verfassungsorgane missachtet. Weil er aus der Presse- eine
Berlusconi-Freiheit gemacht hat. Weil er seine Interessen als
Unternehmer, Privat- und Staatsmann munter vermischt und sogar die
Verfassung zu seinem persönlichen Vorteil verändert. Und weil er aus
dem Rechtsgrundsatz "In dubio pro reo" (Im Zweifel für den
Angeklagten) den Grundsatz "In dubio pro Silvio" gemacht hat.
Zusammengefasst: Silvio Berlusconi hätte eine Niederlage verdient,
weil er eine Demokratie im Herzen Europas beschädigt hat.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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