BERLINER MORGENPOST: Lenas Erfolg liegt in ihrer Freiheit - Leitartikel
Geschrieben am 30-05-2010 |
Berlin (ots) - Es liegt ein leichter Hauch von 1954 in der Luft.
Dieses Staunen, die ungläubig-vorsichtige Freude, die bange Frage,
was dieser Sieg wohl zu bedeuten hat. Lena Meyer-Landrut hat ja nicht
nur einen Sängerwettstreit gewonnen, sondern auch über scheinbar auf
ewig zementierte Medienmechanismen triumphiert, über eine verbreitete
Katastrophenlaune hierzulande, und sicher auch einige
Deutschland-Vorurteile in Europa zerstreut. Anders als ihre
schmerzend naive Vorgängerin Nicole hat Lena das ganze Land für sich
gewonnen. Mehr als 14 Millionen Landsleute klebten an den Fernsehern,
am Tag darauf wurden Europas Flugpläne und sogar das heilige
Sendeschema der ARD umgeworfen. Die bisherige Scorpions-Stadt
Hannover bereitete ihrem neuen Star einen rauschenden Empfang, selbst
die Kanzlerin ließ via Christian Wulff Glückwünsche übermitteln.
Deutschland ist Lena-Land, schichten- und generationenübergreifend
verzaubert von etwas Banalem wie Pop. Und es fühlt sich nicht mal
peinlich an. Am besten erklärt sich das Phänomen Lena wohl dadurch,
was sie alles nicht ist. Sie ist kein Produkt, sie hat keine
Exklusivverträge für Interviews, sie hält ihr richtiges Leben unter
Verschluss, eine Merchandising-Strategie ist nicht zu erkennen. Lena
bietet den Gegenentwurf zur exhibitionistisch-übersteuerten
"DSDS"-Geldmaschine, der zwar bis zu zehn Millionen Zuschauer folgen.
Die 70 Millionen aber, die sich der Elendsshow verweigern, sind
dankbar für eine Lena, die unbefangen all jene Gesetze der
"Bunte"-"Gala"-RTL-Diktatur ignoriert, die Politiker,
Wirtschaftsbosse und der größte Teil der Prominenz artig befolgen.
Lena, das ist eben auch ein Synonym für Freiheit. Alt genug, die
meisten Spielchen der Erwachsenen zu kennen, aber zu jung, um über
Ratenkredite, Rotweine oder Altersvorsorge zu sinnen, ist sie
weitgehend frei von Angst, was auch ihr Auftritt in Oslo zeigte. Sie
verließ sich nicht auf ebenso kalkulierte wie alberne Inszenierungen,
sondern einfach auf sich. Der wohltuend dezente Macher im Hintergrund
heißt Stefan Raab, zu Unrecht auf die Rolle des Witzbolds reduziert.
Raab entdeckte das Mädchen und verpasste ihr einen Song, der
funktionierte, er bewegte die traditionellen Feinde Pro7 und
ARD zu gemeinsamer Sache, er riet Lena zum hermetischen Abschirmen
ihres Privatlebens - eine ganze Reihe kleiner Kulturrevolutionen. Ab
sofort wirken Ralph Siegel, Dieter Bohlen und all die anderen
Musikonkels noch unerträglicher. Und was bleibt nun von Lena?
Natürlich wird sie trotz ihrer süchtig machenden Fröhlichkeit ein
nostalgieversessenes Deutschland nicht verändern, das lieber Helmut
Schmidt und Helmut Kohl lauscht, anstatt sich über die Zukunft
Gedanken zu machen. Immerhin: Lena hat dem Land ein paar Momente
selbstvergessener Leichtigkeit geschenkt. Danke für dieses
Kunststück.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
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Telefon: 030/2591-73650
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