Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Sparpaket der Bundesregierung
Geschrieben am 07-06-2010 |
Bielefeld (ots) - Noch ist kein einziger Euro gespart, aber nach
der Kabinettsklausur im Kanzleramt ist klar: Dieser Fahrplan ist
ehrgeizig. Minderausgaben von 80 Milliarden Euro bis 2014 sind kein
Pappenstiel. Auch ist langer Atem gefragt. Doch bringt Schwarz-Gelb
seine Beschlüsse ins Ziel, könnte der 7. Juni 2010 tatsächlich
irgendwann einmal so etwas wie den Neuanfang der Berliner
Regierungskoalition markieren. Nach acht Monaten Geholpere musste
man das nicht unbedingt erwarten. Beinahe ungewohnt ist auch, dass
alle drei Regierungsparteien die Beschlüsse mittragen können.
Allerdings müssen CDU, CSU und FDP erst noch beweisen, dass sie das
auch tun, was alles andere als eine Kleinigkeit darstellt. Das
Sparpaket trägt unverkennbar die Handschrift von Kanzlerin Angela
Merkel: Angesichts der enormen Gesamtsumme ist es vergleichsweise gut
austariert. Der scharfen Kritik seitens der Opposition und der
Interessenverbände zum Trotz: Die »Liste der Grausamkeiten« kommt
erstaunlich sozialverträglich daher. Die Lasten werden auf Bürger,
Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte verteilt. Deutlich höhere
Beiträge sollen vor allem die Fluggesellschaften und die
Energiekonzerne leisten - zwei Branchen, die es verschmerzen können.
Auch Einschnitte bei den Arbeitsmarktgesetzen sind vertretbar. Der
Wildwuchs an Förderprogrammen von längst nicht immer zweifelsfrei
erwiesenem Nutzen ist bekannt. Doch stellt die anvisierte Sparsumme
eine echte Herausforderung dar. Auch stimmt, dass diese Maßnahmen vor
allem die Schwachen treffen. Kritisch ist schließlich, dass die
Koalition stark auf das Prinzip Hoffnung setzt, indem sie mit einem
nachhaltigen Rückgang der Arbeitslosigkeit rechnet. Uneingeschränkt
lobenswert ist, dass der Staat selbst kürzertreten will. Die
Streichung von bis zu 15 000 Beamtenstellen ist mehr als ein
symbolischer Akt. Zu Recht nicht gespart wird hingegen an der
Zukunftsfähigkeit Deutschlands: Gegen den Trend steigen die Ausgaben
für Forschung und Bildung sogar deutlich an. Auch die Etats für
Verkehr und Bau kommen weitgehend unbeschadet davon. Vor allem die
zuletzt arg gerupfte FDP darf sich rühmen, Steuererhöhungen für die
Allgemeinheit weitgehend vermieden zu haben. Wenigstens das. Hier
aber auch setzte die Koalitionsarithmetik leider Grenzen. Noch
größerer Sparwille wäre möglich, ja sogar wünschenswert gewesen. Dazu
hätte man dann allerdings - in welcher Form auch immer - die
Besserverdienenden stärker belasten müssen. Das aber war nach dem
Steuersenkungswahlkampf der FDP nicht möglich. »Noch nicht«, mag
hinzufügen, wer es gut mit dieser Regierung und gut mit Deutschland meint. Mit dem Sparpaket haben Union und Liberale einen Schritt in
die richtige Richtung gemacht. Klar ist aber auch: Es müssen weitere
folgen und zwar schnell. Schon beim nächsten jedoch, der da
Gesundheitsreform heißt, droht Schwarz-Gelb wieder ins Stolpern zu
kommen.
Originaltext: Westfalen-Blatt
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Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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