WAZ: Schweigende Mehrheit. Kommentar von Dirk Hautkapp
Geschrieben am 08-06-2010 |
Essen (ots) - Gläubig und liberal zugleich - das galt in der
deutschen Debatte über und mit dem Islam bisher als Unding. Nun
erheben Muslime ihre Stimme, die anhand ihrer eigenen Biografie
zeigen, dass man den Koran sehr wohl zeitgemäß, individuell und
integrativ auf dem Fundament der demokratischen Grundordnung leben
und weiterentwickeln kann.
Den Initiatoren ist Stehvermögen und Unterstützung zu wünschen.
Ihre Programmatik ist nicht ohne: Ein Ja zu Homo-Ehe und Ehe ohne
Trauschein, eine Absage an die absolute Wahrheitsapostelei, gelebte
Gleichberechtigung von Mann und Frau, ein auf echten Dialog
ausgerichtetes Religionsverständnis - für die oft in altem Denken
verhafteten etablierten Verbände, die sich anmaßen, den Islam in
Deutschland zu repräsentieren, ist das starker Tobak. Sie könnten
versucht sein, die Konkurrenz nach Kräften zu bekämpfen.
Das wäre der falsche Weg. Eine Anfeindungskampagne wird nicht nur
die Politik auf den Plan rufen müssen. Die sucht seit langem bis
hinauf in die Islamkonferenz des Innenministers einen frischen,
liberal gestimmten Ansprechpartner in der zersplitterten
Moslem-Gemeinde. Auch die Verbände selbst würden sich keinen Gefallen
tun, die "Neuen" zu isolieren und ihre erfreulichen Argumente zu
ignorieren. Die schweigende Mehrheit in der muslimischen Gemeinde
wird das nicht hinnehmen.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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