LVZ: Kanzleramtschef fordert alle Koalitionsparteien zum Festhalten an sämtlichen Eckpunkten der Gesundheitsreform auf / Die Aktien der großen Koalition seien derzeit "zu niedrig bewertet"
Geschrieben am 16-09-2006 |
Leipzig (ots) - Der Chef des Kanzleramts, Bundesminister Thomas de Maizière (CDU), hat klargestellt, dass die Koalition auf der Einführung des umstrittenen Gesundheitsfonds bestehen werde und an alle Koalitionspartner appelliert, "einmal vereinbarte Eckpunkte auch durchzutragen, auch gegen Widerstände". In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" (Sonnabend-Ausgabe) räumte der enge Merkel-Vertraute de Maizière zugleich handwerkliche Fehler und ein "verbesserungswürdiges" Verhalten "bei Akteuren der zweiten, dritten und vierten Reihe" in der Koalition ein. Mit Blick auf das zu verbessernde derzeit negative Gesamterscheinungsbild der großen Koalition sagte de Maizière: "Gottes Fügung ist auch nichts Schlechtes, aber die wird hier wohl nicht helfen." Die Erwartungen an die Arbeit der großen Koalition seien zu Beginn "vielleicht zu hoch" gewesen. "Die ersten Bewertungen unserer Arbeit waren sicher auch entsprechend übertrieben gut. Im Aktiendeutsch: Unsere Aktie war zu hoch bewertet. Jetzt ist sie zu niedrig bewertet." Die Regierung müsse mit der Konsolidierung der Finanzen, Steuererhöhungen, Bundeswehr-Einsätzen im Ausland schwierige und unpopuläre Themen abarbeiten. "Das macht uns nicht beliebt. Aber wir sind gewählt, um das Land in Ordnung zu bringen", betonte de Maizière.
Mit Blick auf die Gesundheitsreform wies der Kanzleramtschef Vermutungen zurück, die Kanzlerin und die Union halte mittlerweile nur noch deshalb am Gesundheitsfonds fest, weil andernfalls die Machtbasis der Regierungschefin bröckeln würde: "Die These ist Unsinn. Wir bestehen nicht darauf, weil das irgendjemand besonders will, sondern weil es vereinbart ist in den Eckpunkten zur Gesundheitsreform. Der Gesundheitsfonds - sauber konstruiert - ist gut und richtig, um Wettbewerb in das System zu bringen, um die bisherigen Unübersichtlichkeiten aufzulösen." Er sei "ein fortschrittlicher Beitrag zur Zukunft des Gesundheitssystems", sagte de Maizière. "Alle Beteiligten der großen Koalition sind gut beraten, einmal vereinbarte Eckpunkte auch durchzutragen, auch gegen Widerstände. Das gilt nicht nur für die Gesundheitsreform."
Der Politiker räumte ein, dass in der bisherigen Arbeit nicht alles fehlerfrei zugegangen sei. "Zu behaupten, man macht keine Fehler, wäre eine falsche Selbsteinschätzung. Zum Beispiel war es ein handwerklicher Fehler, die letzte gute Koalitionsverabredung zum Allgemeinen Gleichstellungsgesetz in letzter Minute nicht vollständig umzusetzen." Dies sei zu Lasten "von allen" in der Koalition gegangen. Rot-Grün habe sich viele handwerkliche Fehler in der Gesetzgebung geleistet. "Wir geben uns größte Mühe, das zu vermeiden. Auch wenn wir deshalb die eine oder andere Verschiebung in Kauf nehmen müssen, beispielsweise beim Gesetzgebungsverfahren zur Gesundheitsreform. Diese Kritik müssen wir aushalten." Etwas anderes seien die Abstimmungsmechanismen. Das sei in einer großen Koalition komplizierter, weil mehr Akteure betroffen seien als in einer kleinen Koalition. "Das funktioniert bei den handelnden Personen der ersten Reihe ziemlich gut. Bei Akteuren der zweiten, dritten und vierten Reihe ist das noch verbesserungswürdig", meinte de Maizière. Wobei diese Aufzählung nichts mit "Störenfrieden" zu tun habe, sondern lediglich "eine informelle Beschreibung des politischen Gewichts" der Beteiligten darstelle.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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