WAZ: Ein Tabuthema: Späte Abtreibungen - Kommentar von Ulrich Reitz
Geschrieben am 22-03-2006 |
Essen (ots) - Spätabtreibungen sind fürchterlich. Ein Kind im Mutterleib, eigentlich schon lebensfähig, wird mit einer Kalium-Chlorid-Spritze ins Herz getötet und anschließend herausgeholt. Das ist bis unmittelbar vor der Geburt erlaubt, wenn sich die werdende Mutter auf die medizinische Indikation beruft: Wenn sie argumentiert, dass ihr durch ein Austragen eines schwer behinderten Kindes entweder seelisch oder körperlich ein nicht zumutbarer Schaden entstehen würde. Das geschieht nicht zehntausendfach in Deutschland, aber es findet statt.
Unbestritten ist, dass dies der Gesetzgeber nicht wollte, als er diese erweiterte medizinische Indikation einführte. Weder Parlament noch Regierung haben beabsichtigt, behindertes Leben für die Zukunft quasi abzuschaffen und doch sind wir auf dem Weg dort hin: Behinderte Kinder sind selten geworden, was eben nicht nur auf medizinischen Fortschritt zurückzuführen ist, sondern auch auf diese Abtreibungspraxis.
Machen wir uns nichts vor: Was hier passiert, ist die schonungslose Schlussfolgerung aus der Unterscheidung zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Leben. Doch so sehr diese Abtreibungspraxis auch Gefühle verletzt, die nicht einmal zwingend christlicher Natur sein müssen: Skandalgeschrei wäre fehl am Platz. Schon die herkömmliche, am häufigsten angewendete Abtreibungspraxis sortiert Leben aus, nur werden hierfür soziale Gründe ins Feld geführt. Ein Trost kann das nicht sein. Nach dem libertären Motto: Wenn schon die materielle Lage einer Mutter (oder der Eltern) die Tötung eines Fötus' rechtfertigen kann, dann doch um so mehr eine medizinische Bedrohung der Mutter. Tatsächlich haben wir uns daran gewöhnt, menschliches Leben nicht mehr per se für unantastbar zu halten. Es handelt sich um einen hingenommenen Verfassungsbruch (bei der Sterbehilfe wird diese Grenze ebenso aufgeweicht).
Was die Abtreibung anbelangt, so handelt es sich auch um einen Fluch des medizinischen Fortschritts, der vorgeburtlichen Diagnostik. Sie stellt angehende Eltern vor Entscheidungssituationen, die vor wenigen Jahren fast undenkbar waren. Vor allem Mütter können in kaum noch erträgliche Situationen geraten. Zu lösen ist der Konflikt, der auch Ärzte in Gewissensnot bringen kann, letztlich nicht. Man kann keine klare Entscheidung treffen, sondern nur einen Entscheidungsprozess moderieren.
Auch nach der 12. Schwangerschaftswoche sollte es eine Pflicht zur Abtreibungs-Beratung geben. Und zwischen der Diagnose für den Fötus und einem Schwangerschaftsabbruch sollten drei Tage liegen. Die Idee dahinter lautet: Panik verhindern. Mindestens das ist man dem Kind im Mutterleib schuldig. Mit einem generellen Aufschnüren des § 218 hat dies nichts zu tun. Vielleicht bietet gerade die große Koalition eine Chance, dieses hoch emotionale Thema unideologisch zu lösen. Wenn man dann am immer bedrückenden Ende überhaupt noch von Lösung sprechen mag.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Telefon: (0201) 804-0 Email: zentralredaktion@waz.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
4294
weitere Artikel:
- Rheinische Post: Kunst ans Licht - Von TORSTEN CASIMIR Düsseldorf (ots) - Die Verbringung von Kunst in Depots, an lichtlose menschenleere Orte, ist ein trauriger Vorgang. Wer das tut, tun muss, schafft etwas beiseite, das doch gerade für Sichtbarkeit und Erfahrbarkeit gemacht wurde. Das Land NRW hat es sich dennoch lange geleistet, bedeutende Kunst einzukellern: kein Platz in der Herberge der klassischen Moderne. Mit diesem Luxus hat es nun ein Ende. Seit Johannes Rau haben noch alle Ministerpräsidenten der Kunstsammlung in Düsseldorf die Erweiterung versprochen - bauen lässt sie erst Jürgen mehr...
- Rheinische Post: Fremde Welt - Von HELMUT MICHELIS Düsseldorf (ots) - Wen schützen und finanzieren wir da eigentlich? Diese Frage werden sich erschreckt viele Deutsche gestellt haben, als der Fall Abdul Rahman öffentlich wurde: Ihm droht in Afghanistan die Hinrichtung, weil er zum Christentum übertrat. Aus westlicher Sicht ist dieser haarsträubende Vorgang ein barbarisches Verbrechen. Schlaglichtartig werden die riesigen kulturellen und religiösen Unterschiede deutlich: Im rückständigen Afghanistan sind Steinigungen, Enthauptungen und andere drakonische Strafen üblich, wenn nach Ansicht mehr...
- Rheinische Post: Kopfnoten - Werteerziehung - Von JENS VOSS Düsseldorf (ots) - Sind Kopfnoten nun ein Rückfall in die finsteren 60er Jahre, Werkzeuge der Willkür, Mittel zur Disziplinierung missliebiger Schüler? Folgte man im Landtag der Anhörung zu diesem Thema, so türmte da mancher Experte Probleme und Gefahren so hoch auf, als müsse man erst einmal alle Schulen schließen und alle Lehrer auf Jahre in Fortbildungen schicken. Dabei herrschte eigentlich Einigkeit darüber, dass es gut wäre, wenn die Schule ihren Schülern etwas über ihr Arbeits- und Sozialverhalten mitteilte. Kein Wunder: Wer all mehr...
- LVZ: Verteidigungsminister Jung: Ehrenmal für ums Leben gekommene Soldaten wird noch dieses Jahr fertig Leipzig (ots) - Das von Verteidigungsminister Franz Josef Jung angekündigte Ehrenmal für ums Leben gekommene Bundeswehr-Soldaten soll innerhalb des Areals des Bundesverteidigungsministeriums noch in diesem Jahr fertig gestellt werden. Das kündigte Jung in einem Interview mit der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG (Donnerstag-Ausgabe) an. "Wer für die Bundeswehr - im Inland oder Ausland - und damit für unsere Sicherheit, den Frieden und die Freiheit sein Leben gelassen hat, dem schulden wir ein würdiges Gedenken in Form eines Ehrenmals an einem Ort, mehr...
- Rheinische Post: SPD will schnelle Einigung auf längere Wahlperiode Düsseldorf (ots) - Die SPD will noch vor der Sommerpause das Thema "Verlängerung der Wahlperiode" angehen. Deshalb werde die SPD die Union "in absehbarer Zeit" zu Gesprächen einladen, kündigte der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy (SPD), im Gespräch mit der "Rheinischen Post" (Donnerstagausgabe) an. Zugleich allerdings nannte er Bedingungen: "Wenn wir uns für eine fünfjährige Wahlperiode entscheiden, dann ist die Einführung von Volksbegehren, Volksinitiative und Volksabstimmung auf Bundesebene zwingend." mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|