Der Tagesspiegel: 35 RAF-Taten bis heute nicht aufgeklärt
Geschrieben am 06-05-2007 |
Berlin (ots) - Nach Recherchen des in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel am Sonntag" sind wesentlich mehr RAF-Verbrechen nicht oder nur teilweise aufgeklärt worden als bisher bekannt. Die Liste umfasst 35 Fälle. Sie reicht vom ersten Terror-Todesopfer, dem Polizisten Norbert Schmid im Jahr 1971 bis zum Tod des Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen 1989. Mehrere Länder-Innenminister forderten im Gespräch mit dem "Tagesspiegel am Sonntag" angesichts der Fülle der offenen Fälle weitere Ermittlungen. Bremens Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) sagte. "Es lohnt sich, über einen neuen Ansatz zur Aufklärung der Verbrechen nachzudenken." Dazu zähle auch eine Sonderkommission unter Einbindung der Bundesanwaltschaft.
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ist "erschrocken" über die hohe Zahl nicht wirklich aufgeklärter Fälle. "Es ist eine Frage der Rechtssicherheit, dass alle Fälle aufgeklärt werden." Zudem gebe es eine Verpflichtung gegenüber Opfern und Angehörigen. Eine Begnadigung des ehemaligen RAF-Mitglieds Christian Klar sieht er skeptisch. Klar habe sich nicht einsichtig gezeigt und nichts unternommen, "was zur Aufklärung der offenen und nur teilweise ermittelten Fälle beigetragen hätte", sagte Schönbohm. Er wolle aber dem Bundespräsidenten keine Ratschläge erteilen.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) äußerte sich betont nüchtern. Die nicht oder nur teilweise aufgeklärten Taten von RAF und Bewegung 2. Juni könnten nicht anders bewertet werden als ähnlich schwere Delikte anderer Straftäter. Und wie in allen anderen Strafverfahren würden Ermittlungen wieder aufgenommen, wenn es neue Anhaltspunkte gibt, "aber auch nur dann", sagte Körting.
Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) gibt es weiterhin ein "eindeutiges Aufklärungsinteresse". Stegner sagte zu den Vorwürfen, die Sicherheitsbehörden hätten seit langem Erkenntnisse über Tathergänge gehabt, diese aber nicht genutzt: "Das muss klargestellt werden. Wenn es ungenutzte Erkenntnisse gab, muss man dem in aller Konsequenz nachgehen."
Die hohe Zahl ungeklärter Taten liegt nach Ansicht des CDU-Innenpolitikers Wolfgang Bosbach nicht an Versäumnissen der Ermittlungsbehörden. "Es gab intensive Ermittlungen, aber es konnten eben keine Täter identifiziert werden", sagte Bosbach dem "Tagesspiegel am Sonntag". Sobald es neue Beweise oder Indizien gebe, müssten die Ermittlungen weiter gehen. Der Verbleib der Verfassungsschutz-Akte mit den Aussagen der Terroristin Verena Becker müsse im Übrigen "sofort" geklärt werden. Bosbach sagte weiter, es könnte einen neuen Impuls für Ermittlungen geben, wenn der auf einen Gnadenerweis des Bundespräsidenten hoffende RAF-Terrorist Christian Klar etwas aussagen würde. "Aber der schweigt ja weiter, was einer von vielen Punkten ist, warum er nicht begnadigt werden sollte."
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