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Union-Fraktionschef Volker Kauder enthüllt im stern umfassende Gesundheitsreform der Großen Koalition - Kinder-Versicherung aus Steuern, Gesundheitsfonds und einheitliche Prämie

Geschrieben am 11-04-2006

Hamburg (ots) - Die Große Koalition denkt an eine tiefgreifende
Neuordnung des deutschen Gesundheitssystems. Der
CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Volker Kauder, nannte in
einem Interview mit dem Hamburger Magazin stern die Finanzierung der
Kinder-Versicherung aus Steuermitteln, die Schaffung eines
Gesundheitsfonds und die Überweisung einer Einheits-Prämie für jeden
Versicherten an die Krankenkassen als wesentliche Ziele.

"Ich stelle mir vor, dass wir größere Gerechtigkeit im
Gesundheitssystem erreichen, indem wir die Kosten für die Kinder auf
alle Schultern in der Gesellschaft verteilen", sagte Kauder zum
stern. Zur Finanzierung der Kinder seien ein "Gesundheitssoli" von
acht Prozent auf die Lohn- und Einkommensteuer-Schuld oder drei
Prozent mehr Steuern aufs Einkommen denkbar. Experten dächten aber
auch über andere Finanzierungsideen nach. Da Kinder in der
gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung "zwischen 14 und 16
Milliarden Euro" kosteten, könnten die Kassenbeiträge "um etwa
eineinhalb Prozentpunkte" sinken "und damit Arbeit billiger machen".
Durch die Steuerfinanzierung würden Besserverdienende eher belastet,
Geringverdiener durch sinkende Krankenversicherungsbeiträge dagegen
entlastet.

Die Steuern für die Kinder und die Beiträge zur
Krankenversicherung sollen nach Kauders Worten in einen neu zu
schaffenden Gesundheitsfonds fließen, der wiederum "eine bestimmte
Summe pro Versicherten" an die Kasse überweise. "Das könnte man dann
Gesundheitsguthaben nennen", sagte Kauder. "Ein Betrag in der
Größenordnung von 150 bis 170 Euro wäre durchaus denkbar." Die genaue
Höhe hänge davon ab, ob es eine "zusätzliche Altersrückstellung"
geben solle, um durch einen "angesparten Kapitalstock" zu verhindern,
dass die Beiträge später wegen eines höheren Anteils älterer
Versicherter steigen müssten. Ob auch die Beitragssätze der
Krankenkassen einheitlich sein sollten, könne er derzeit noch nicht
sagen. Die Beitragsbemessungsgrenze von 3563 Euro solle aber "nicht
in Frage gestellt werden".

Der CDU-Politiker bezeichnete es als "denkbar", dass es in diesem
System Rückerstattungen an die Versicherten geben werde, falls das
Gesundheitsguthaben nicht aufgebraucht wird. Die Beitragssätze zur
Krankenversicherung sollten jedoch künftig nicht mehr angehoben
werden, um die Lohnzusatzkosten der Wirtschaft zu entlasten.
"Deswegen überlegen Experten, ob steigende Kosten beispielsweise über
eine zusätzliche Prämie finanziert werden sollen."

Das einheitliche Gesundheitsguthaben, das der Fonds an die
Krankenkassen überweisen soll, wird nach Kauders Worten den
Wettbewerb zwischen den Kassen fördern. "Dann fragt der Versicherte
nämlich: Welche Kasse bietet mir für dieses Geld am meisten?" Einen
"bürokratischen Finanzausgleich zwischen armen und reichen Kassen"
brauche man dann nicht mehr, sondern "nur noch einen Ausgleich für
die Altersstruktur der Kassen". Durch den Gesundheitsfonds hätten die
Kassen "mit dem Einzug der Beiträge nichts mehr zu tun" und würden zu
"Gesundheitsmanagern".

Die gesetzlichen und die privaten Krankenversicherungen sollen
nach Angaben des CDU-Politikers "im Wettbwerb miteinander stehen",
wobei es auch für die privaten künftig eine Versicherungspflicht
geben müsse. "Zumindest müssen sie zu einem Standardtarif diejenigen
wieder aufnehmen, die einmal bei ihnen versichert waren und aus
irgendwelchen Gründen herausgefallen sind." Die Altersrückstellungen
der privaten Kassen von über 100 Milliarden Euro sollten unangetastet
bleiben, da sie "unter dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes"
stünden.

Weitreichende Neuordnungen kündigte Kauder in dem stern-Interview
auch für die Ärzte an. Überstunden, die in den Krankenhäusern
geleistet werden, sollten auch bezahlt werden. Außerdem sollten
niedergelassene Ärzte "wissen, was sie für eine Leistung bekommen".
Er wolle daher weg vom bisherigen Punktesystem "hin zur Gebühr, bei
der jede Leistung einen vorher vereinbarten Wert in Euro und Cent
hat". Außerdem solle die Budgetierung für die Ärzte "wegfallen". Bei
den Patienten solle "jeder, der es will, eine Kopie der Abrechnung
erhalten". Die Kassenärztlichen Vereinigungen will Kauder indes nicht
abschaffen. "Es ist ausgeschlossen, dass jeder Arzt mit der
Krankenkasse einen Vertrag machen kann", sagte er. Direktverträge mit
den Kassen könne er sich "für die Hausärzte auf keinen Fall
vorstellen". Bei den Fachärzten werde man das prüfen. Um Kosten zu
sparen, könne man zudem "teure Geräte und teure Heilverfahren in
Zentren konzentrieren".

Apothekenketten will Kauder auch in Zukunft nicht zulassen. "Wir
müssen aufpassen, dass die Apotheke auf dem Land nicht verschwindet",
sagte er. Die Preise für Medikamente könnten vor allem bei Generika,
also Arzneimitteln ohne Patentschutz, gesenkt werden. "Die sind bei
uns viel teurer als anderswo", sagte Kauder. Deswegen habe er einen
Prüfauftrag gegeben, wie der Wettbewerb hier verstärkt werden könne.
Kauder: "Wenn die Firmen das lesen, werden sie mich grillen."

Zur politischen Tragweite der geplanten Gesundheitsreform sagte
der CDU-Politiker, es sei ein "dritter Weg" zwischen der
Kopfpauschale der CDU und der Bürgerversicherung der SPD. Ziel der
Großen Koalition müsse sein, "dass die soziale Sicherung nicht bei
jeder Wahl wieder Angstthema ist". Er fügte hinzu: "Wenn wir das
erreichen, werden die Menschen sagen: Die Große Koalition hat etwas
Tolles geleistet." Dann könne man im nächsten Wahlkampf über andere
Themen streiten. Die Reform werde jedoch noch nicht zum 1. Januar
2007 komplett in Kraft treten können, sondern "in mehreren
Schritten". Qualität solle vor Schnelligkeit gehen. Er wolle auf
keinen Fall, dass es Ärger wie bei der Umsetzung von Hartz IV gebe.

Originaltext: Gruner+Jahr, stern
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6329
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6329.rss2

Für Rückfragen: stern-Nachrichtenredaktion, Tel. 040-3703-3555. Das
Interview steht Ihnen auf Wunsch im Wortlaut zur Verfügung.


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