(Registrieren)

Aachener Nachrichten: Kommentar zu Freisprüchen im "Ehrenmord"-Prozess: Richter sind keine Racheengel

Geschrieben am 28-08-2007

Aachen (ots) - Von Rudolf Teipel / Um gleich 'mal mit einem weit
verbreiteten Missverständnis aufzuräumen: Wenn die obersten Richter
des BGH die Freisprüche im Berliner "Ehrenmord"-Prozess aufheben und
den Fall zur Neuverhandlung an das Kammergericht zurückverweisen,
bedeutet das nicht, dass Hatun Sürücüs freigesprochene Brüder nun
sozusagen vollautomatisch wegen Mordes verurteilt werden. Vielmehr
müssen bestimmte Zeugenaussagen neu ausgeleuchtet und daraus
resultierende eventuell fehlerhafte Beweiswürdigungen in der
Urteilsbegründung überprüft werden. Kann juristisch glasklar
nachgewiesen werden, dass die älteren Brüder an der Bluttat ihres
mittlerweile rechtskräftig verurteilten jüngsten Bruders gegen ihre
Schwester beteiligt waren oder davon gewusst haben, sind sie wegen
Mordes zu verurteilen. Wenn nicht, dann nicht.
Das ist eigentlich eine rechtsstaatliche Binsenweisheit - und doch
sind die nun erneut mit dem Fall Sürücü befassten Richter am Berliner
Kammergericht nicht zu beneiden. Denn über die eigentliche
juristische Würdigung des Tathergangs beim Mord an Hatan Sürücü
hinaus schwingen ganz andere, eigentlich dem Rechtswesen ferne
Einflüsse und Erwägungen im Berliner Verfahren mit: die öffentliche
Empörung über archaische Strukturen in Teilen einer in Deutschland
lebenden türkischen Parallelgesellschaft, die zu solchen
Monstrositäten wie dem "Ehrenmord" an Hatun Sürücü führen können; die
Enttäuschung über die offenkundig gescheiterte Integration in die
westliche Kultur eben dieser Türken; und nicht zuletzt der Ruf nach
kompromissloser Durchsetzung westlicher Moral- und Lebens-Prinzipien.
Um es ganz deutlich festzustellen: All das kann nicht
Entscheidungsgrundlage der Berliner Richter sein. Sie haben einzig
und allein die juristischen Fakten im Mordfall Sürücü auf der Basis
des Strafgesetzbuches zu werten. Alles, was darüber hinausgeht, ist
Sache der Politik, des kulturellen Lebens, der Gesamtgesellschaft.
Richter sind keine Racheengel alttestamentarischer "Auge um Auge,
Zahn um Zahn"-Prinzipien. Daran ist im Sinne eines funktionierenden
Rechtsstaats immer festzuhalten. So abscheulich der Mord an Hatun
Sürücü auch gewesen ist.

Originaltext: Aachener Nachrichten
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/61202
Pressemappe via RSS : feed://www.presseportal.de/rss/pm_61202.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Aachener Nachrichten
von Wilpert Wolfgang
Telefon: +49(0)241/510 418
w.vwilpert@zeitungsverlag-aachen.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

89340

weitere Artikel:
  • WAZ: Ein Mord ist ein Mord - Kommentar von Rolf Potthoff Essen (ots) - Die 23-jährige Deutsch-Kurdin Hatun Sürücü musste wegen ihres westlichen Lebensstils sterben. Der missfiel ihrer Familie, "verletzte" ihre Ehre. Ihr jüngster Bruder schoss ihr drei Mal in den Kopf, um die Ehre wiederherzustellen. "Ehrenmord" wird dieser archaischen Zeiten entstammende Wahnwitz genannt. Die UNO schätzt, dass ihm weltweit mindestens 5000 Frauen zum Opfer fallen. 5000 - Jahr für Jahr. Abgesehen davon, dass der Geschwistermord elementarsten menschlichen Empfindungen widerspricht - das Strafrecht aufgeklärter mehr...

  • WAZ: Merkel, China, Menschenrechte: Handel mit der Eitelkeit - Kommentar von Alexander Christ Essen (ots) - Merkels Kritik an den Menschenrechtsverletzungen oder der Produktpiraterie Pekings ist nicht besonders mutig oder gar moralisch, sondern: typisch. Nüchtern wie meistens, hat die Kanzlerin die neue Lage analysiert und kühl ihren gewachsenen Spielraum genutzt. Solange China sich von europäischen Staaten vor allem als goldener Markt umworben sah, konnte es Kritik westlicher Regierungschefs an den skandalösen inneren Verhältnissen als Pflichtübung abtun. Spätestens mit dem näher rückenden Globalereignis Olympische Spiele legt mehr...

  • WAZ: Die Kirchen-Kritik der Landes-CDU: Wenn der Mann den Hund beißt - Leitartikel von Ulrich Reitz Essen (ots) - Kirche greift CDU an. Das wäre als Nachricht banal, so wie: Hund beißt Mann. Eine Glaubensgemeinschaft, ihrer reinen Lehre verpflichtet, muss sich reiben an einer Partei, die ein Regierungs-Abo beansprucht. Wer regiert, schließt Kompromisse, verstößt also gegen das Ideal. Gerade darum ist der Angriff des Düsseldorfer CDU-Fraktionsvorsitzenden Stahl auf die Kirche eine Nachricht von der Kategorie: Mann beißt Hund. Ein bemerkenswerter Vorgang also. Nicht, weil man erwarten müsste, dass das Verhältnis zwischen Kirche und mehr...

  • Westdeutsche Zeitung: Türkei: Präsidentenwahl von Eberhard Fehre Düsseldorf (ots) - Am Anfang stand eine Staatskrise, ausgelöst durch die Putschdrohung des Militärs. Am Ende steht die Wahl Abdullah Güls zum türkischen Präsidenten, unspektakulär und geschäftsmäßig, wie es die Verfassung eines halbwegs demokratischen Landes nun einmal vorsieht. Dazwischen lag eine vorgezogene Parlamentswahl, deren Ergebnis keinen Zweifel mehr an der Legitimität der gemäßigt islamischen Führung der Türkei zulässt. Und die Töne der Militärs deutlich kleinlauter werden ließ. Selbst das Kopftuch von Frau Gül, von einer selbsternannten mehr...

  • Aachener Zeitung: Verdi-Kampagne setzt gegen Kibiz auf "Eskalation" / Von Robert Esser Aachen (ots) - Mit einer knallharten Kampagne wollen Strategen von Verdi das umstrittene Kinderbildungsgesetz (Kibiz) der NRW-Landesregierung kippen. Über vier Tage hatten Gewerkschaftsvertreter mit externen Protest-Profis an einer Verschärfung der Auseinandersetzung gearbeitet. Mit dem Ergebnis, "dass nicht mehr auf die Sachargumente abgestellt werden soll, sondern emotionale Eskalationen stattfinden müssen" - so formuliert im "Besprechungs-Vermerk" des Verdi-Forums "Förderung von Kindern", das Mitte August in Dortmund getagt hatte. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht