WAZ: Es geht nicht nur ums ALG I Becks Wende - Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 21-10-2007 |
Essen (ots) - Für seine ganz persönliche Wende hat Kurt Beck weniger Zeit gebraucht als ein Jahr. Zur Erinnerung: Der heutige SPD-Chef gehörte zu den loyalen Unterstützern von Gerhard Schröders Agenda-Politik; und zwar ohne Ausnahme, auch nicht beim Bezug des Arbeitslosengeldes. Die sozialliberale Koalition, die Beck als Regierungschef in Rheinland-Pfalz erfolgreich führt, empfahl er in seinen ersten Berliner Tagen auch als Modell für die Bundespolitik. Dies auch deshalb, weil die Kombination aus wirtschaftspolitischem Augenmaß und gesellschaftspolitischer Verantwortung ihm als angemessenes Rezept auch für die Deutschland AG erschien. Schließlich lieh er sich seinen neuen Slogan auch noch ausgerechnet bei Helmut Kohl: Leistung muss sich wieder lohnen. Wie gesagt - alles noch nicht lange her.
Darum geht es beim Streit um das Arbeitslosengeld mit Müntefering zwar auch um die Macht, aber eben nicht nur. Viel durchschlagender als diese Einzelfrage ist der angepeilte Richtungswechsel für die SPD. Verabschiedet hat sich Beck von Schröders "Neuer Mitte". Dies ist keine Kleinigkeit. Die Neue Mitte, mitersonnen vom britischen Historiker Anthony Giddens, befördert von Tony Blairs engstem Vertrauten Gordon Brown, gelebt vom amerikanischen Präsidenten Bill Clinton, Vorbild für Schröder und die Seinen, war der Versuch, eine linke Volkspartei neu zu definieren. Und zwar gerade an ihrem empfindlichsten Punkt: Soziale Gerechtigkeit sollte fortan nicht mehr in erster Linie abhängig sein von der Höhe der Sozialtransfers, sondern von den Chancen auf Teilhabe. Den Menschen zu Arbeit zu verhelfen, statt sie in Arbeitslosigkeit ruhig zu stellen, das war die Idee, von der sich auch ein Franz Müntefering erst überzeugen lassen musste. Der letzte SPD-Vorsitzende, der diese Idee des "vorsorgenden Sozialstaats" verfochten hat, war Matthias Platzeck.
Bei Beck nun ist die Mitte nicht mehr neu, sondern "solidarisch", ein ganz anderer Akzent, gemünzt auf die Empfänger staatlicher Transfers und nicht auf jene, die davon unabhängig sein wollen. Dass Beck das Bekenntnis zum Demokratischen Sozialismus dann wieder ins SPD-Programm schreiben ließ, rundet das Bild nur ab.
Beck wird es nicht beim Arbeitslosengeld belassen. Er wird sich weiter treiben lassen, von Lafontaine wie von Rüttgers, weil es nicht nur in der SPD, sondern im gesamten Volk den Wunsch nach staatlich garantierter Sicherheit gibt. Aber was ist die Aufgabe verantwortungsvoller Politik: Hinterherlaufen oder führen und mitnehmen?
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: 0201 / 804-2727 zentralredaktion@waz.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
99471
weitere Artikel:
- WAZ: Auf dem toten Gleis - Kommentar von Thomas Wels Essen (ots) - Nicht heute, aber morgen oder übermorgen: Der Streik der Lokomotivführer geht weiter. Es bleibt zu hoffen, dass die heutige Pause ein Zeichen der Vernunft und der Annäherung ist. Die Tarifauseinandersetzung läuft seit Monaten, und das ist das eigentliche Ärgernis: Die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) scheint keinen Plan zu haben, wie sie wieder herunterkommt vom toten Gleis. Eine Tarifauseinandersetzung ist die Kunst des Kompromisses. Dazu aber haben die Chefpiloten der Gewerkschaft offenbar nicht die Kraft. Wie sollen mehr...
- Westfalenpost: Chaos und Populismus Hagen (ots) - Linke wirbt für eine andere Republik Von Wilfried Goebels Eigentlich könnten die etablierten Landesparteien der Gründung der Linkspartei gelassen zuschauen. Die Linke wirkt chaotisch, ihre politischen Programme sind so unbezahlbar wie undurchführbar, es fehlen große Namen, hinzu kommen tiefe Gräben zwischen ewiggestrigen Altkommunisten und frustrierten Gewerkschaftern. Trotzdem wirbelt die Linkspartei das Parteiensystem mächtig durcheinander. In Umfragen erreicht die neue Linke in NRW fast acht Prozent Zustimmung. Warum also mehr...
- Südwest Presse: Kommentar zu Formel 1, Ausgabe 22.10.07 Ulm (ots) - Das Formel-1-Jahr nach Schumacher war geprägt durch einen heißen Dreikampf an der Spitze, den Ferrari-Star Kimi Räikkönen gegen die Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Fernando Alonso für sich entschieden hat. Motorsportlich war's eine tolle Saison wie schon lange nicht mehr. Es wäre also alles paletti, hätte es nicht Skandale gegeben. Da drückte die Spionage-Affäre der Saison einen hässlichen Stempel auf, die in der Rekordstrafe von 100 Millionen Dollar für McLaren-Mercedes gipfelte. Der zusätzliche Abzug aller Punkte in der mehr...
- Lausitzer Rundschau: Der Kurs der SPD Cottbus (ots) - Kurt Beck wird auf dem SPD-Parteitag Ende der Woche den erhofften Rückenwind erhalten: Sein Vorschlag, die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld I zu verlängern, ist Balsam für die frustrierte SPD-Basis. Diejenigen, die wie die Minister Steinbrück, Steinmeier oder Gabriel die Agenda 2010-Fahne noch ein wenig schwenken, tun dies leise und bewusst mit einem Sowohl-als-auch. Jeder möchte, nein, jeder soll auf dem Parteitag etwas werden - Steinmeier und Steinbrück Vize-Vorsitzende, Gabriel Vorstandsmitglied. Lautes Opponieren mehr...
- Rheinische Post: Der Pyrrhus-Sieg des Kurt Beck Düsseldorf (ots) - Von Martin Kessler Der SPD-Chef wird sich wohl auf dem kommenden Parteitag in Hamburg von seinen Anhängern feiern lassen. Er habe, so die Lesart der Beck-Unterstützer, die deutsche Sozialdemokratie wieder zum Anwalt der Arbeitnehmer und "kleinen Leute" gemacht und damit den Erosionsprozess in Richtung von Lafontaines Links-Partei gestoppt. Das mag vordergründig stimmen. Vielleicht steigt die SPD sogar kurzfristig in der Gunst der Wähler. Beck sollte sich aber nicht täuschen. Auf Dauer lässt sich nicht Politik gegen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|