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Westfalenpost: Machtmensch und europäischer Idealist - Zum Tod von Helmut Kohl

Geschrieben am 16-06-2017

Hagen (ots) - Kein anderer hat so lange wie er regiert - als
Bundeskanzler prägte Helmut Kohl das Deutschland der 1980er und 90er
Jahre. Seine politische Lebensleistung ist untrennbar mit der
deutschen Einheit verbunden. Die Einheit wäre unmöglich gewesen,
hätte Kohl nicht in den europäischen Hauptstädten, aber auch in
Washington und Moskau erfolgreich für Vertrauen geworben. Das kann
man ihm nicht hoch genug anrechnen, schien doch eine mögliche
deutsche Vereinigung für mehr als nur eine Generation in weite Ferne
gerückt zu sein. Die vollständige Anerkennung dieser politischen
Großtat, zu der vor allem auch die nachhaltige deutsche Integration
in Europa zählt, wurde Helmut Kohl im Grunde erst lange nach dem
Ausscheiden aus dem Kanzleramt zuteil. Er war der wohl am stärksten
unterschätzte Spitzenpolitiker der Nachkriegszeit - und dabei der
erfolgreichste. Polarisierender Machtmensch Ohne jeden Zweifel zählte
der Christdemokrat auch zu denjenigen, die am stärksten polarisierten
und am konsequentesten um ihre Machtposition kämpften. 16 Jahre
verteidigte er von 1982 bis 1998 das Kanzleramt - im harten
politischen Geschäft ist das eine Ewigkeit. Innerhalb und außerhalb
der eigenen Partei ging der Rheinland-Pfälzer durchaus rüde mit
Kritikern ins Gericht und etablierte ein System, das seinen Namen
trug. Der Oggersheimer stand für einen Regierungs- und Lebensstil,
den die einen als Stabilität empfanden, die anderen sahen in der
Kohl-Ära Stillstand und Enge. Die Einheit stärkte seine Position.
Doch kurz zuvor - im Jahr 1989 - war der Widerstand auf dem
Parteitag in Bremen deutlich geworden. Kohl setzte sich in der CDU
gegen seine Widersacher Heiner Geißler, Rita Süssmuth und Lothar
Späth durch. Kohls Mädchen und eine politische Niederlage Es ist
bemerkenswert, dass Helmut Kohl schließlich seine größte politische
Niederlage durch jene Frau zugefügt bekam, die er 1990 als "Kohls
Mädchen" ins Kabinett holte und die wohl bald länger regieren wird
als er selbst. Angela Merkel positionierte sich 1999 gegen den
CDU-Ehrenvorsitzenden. Der ehemalige Kanzler hatte sich geweigert,
die Namen der Geldgeber illegaler Parteispenden zu nennen und warf
tief verletzt hin. Das abrupte Ende dieser einzigartigen politischen
Karriere zeigt beispielhaft, wie empfindsam der vermeintlich so
hartleibige Mann tatsächlich war, wenn er sich ungerecht behandelt
fühlte. Das galt nicht nur für manche Medien, mit denen er nicht
sprach. Das galt auch für die politische Linke, die ihn gern als
"Birne" verspottete und dabei übersah, dass er die Grenzen in Europa
einriss. Noch einmal: Hier liegt das wohl größte Verdienst des
europäischen Idealisten. Abrechnung mit politischen Gegnern Anfang
der 2000er Jahre rechnete Kohl hart mit jenen Christdemokraten ab,
von denen er sich in der Parteispenden-Affäre verraten fühlte. Dazu
zählte auch Angela Merkel. Es dauerte sehr lange, bis diese Wunden
verheilten. Gut, dass die beiden ewigen Kanzler am Ende wieder ein
bisschen zueinander fanden. Schließlich pflegt Merkel im Grunde einen
ähnlichen Regierungsstil wie ihr Vorgänger. Mit Helmut Kohl verliert
Deutschland einen Staatenlenker und Visionär. Zudem einen
charismatischen Politiker, wie er in die heutige Zeit kaum mehr zu
passen scheint. Manchmal wünschen wir uns solche Männer und Frauen in
der Politik zurück - die ebenso kantig wie unverwechselbar sind.



Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160

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