Mittelbayerische Zeitung: "Die gespaltene Union" / Ein Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung zur Islam-Debatte
Geschrieben am 27-03-2018 |
Regensburg (ots) - Sawsan Chebli, Berlins Beantragte für
Bundesangelegenheiten, hat palästinensische Wurzeln und ist gläubige
Muslima. Die hauptstädtische SPD-Staatssekretärin hat vergangene
Woche eindringlich mit Horst Seehofer gesprochen. Der CSU-Chef hatte
zuvor mit dem keineswegs neuen Satz, der Islam gehöre nicht zu
Deutschland, in ein politisches Wespennest gestochen. Über Seehofers
Satz wird seither vehement gestritten. Er spaltet die Gesellschaft,
entzweit Menschen. Und zwar solche, die hier geboren sind, und solche
die vor Jahrzehnten oder erst vor kurzer Zeit nach Deutschland kamen.
In der neuen Bundesregierung herrscht darüber ein tiefes Zerwürfnis.
Es ist zumindest beispiellos, dass die Regierungschefin ihrem
Innenminister gleich in der ersten Regierungserklärung derart klar
widerspricht und ihn in die Schranken weist. Doch es geht um mehr als
um "den" Islam. Die ziemlich unsinnige Debatte, ob der Islam zu
Deutschland gehört oder nicht, gibt den Blick auf einen tiefen Riss
zwischen bayerischer CSU und Merkels CDU frei. Die Kanzlerin will mit
ihrer Partei nicht den Platz in der politischen Mitte preisgeben.
Seehofer hingegen will den Platz rechts von der Mitte einnehmen, will
dabei die Rechtspopulisten der AfD oder die aufmüpfigen Freien Wähler
im Freistaat klein machen. Die erst unter ihm wiedererlangte absolute
Mehrheit will die CSU im Oktober verteidigen. Der Verlust der
Landtags-Mehrheit wäre nicht nur eine Niederlage für den neuen
Ministerpräsidenten Markus Söder, sondern erst Recht für den CSU-Chef
Horst Seehofer, der sich auch um sein Bild in der Geschichte sorgt.
Seehofer gibt den Erben von Franz Josef Strauß, der verlangt hatte,
dass es rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei
geben dürfe. Doch derzeit gibt es die. Und das sorgt in den Reihen
der Christsozialen für Unruhe, hektisches Agieren sowie gelegentliche
Provokationen. Gegen Berlin, gegen Merkel, die mit ihrer
Flüchtlingspolitik die Union erst in diese Bredouille gebracht habe.
Neu ist das beileibe nicht. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise
attestierte Seehofer der Chefin der Schwesterpartei, unter ihr gebe
es eine Herrschaft des Unrechts. Neu ist jetzt, dass Seehofer seine
Provokationen als Regierungsmitglied vom Stapel gelassen hat. Seine
Worte finden auf der politischen Berliner Bühne einen viel größeren
Widerhall als in München. An der Spree kann jedes Wort krachen wie
ein Feuerwerk. Neu ist auch, dass Merkel dieses Mal hart
zurückschlug. Sie will sich ihrerseits nicht wieder von Seehofer in
den Senken stellen lassen, wie etwa seinerzeit auf dem CSU-Parteitag
in München, als ihr Seehofer minutenlang die Leviten las. Zuletzt hat
Merkel zwar Fehler in der Flüchtlingspolitik eingeräumt und ihr
Mantra lautet: So etwas wie die offenen Grenzen und die
unkontrollierte Einwanderung dürfe sich nicht wiederholen. Doch sie
lässt von ihrem christlich-humanen Politikansatz nicht ab. Es seien
Menschen in Not aufgenommen worden. Dass Merkel ihre letzte
Kanzlerschaft antrat, hat offenbar auch Fesseln gelöst. Falsche
Rücksichtnahme will sie nicht mehr. Im Wahlkampf herrschte
Burgfrieden zwischen den Schwesterparteien. Merkel war schließlich
auch die Kanzlerkandidatin der bayerischen Schwesterpartei, selbst
wenn viele Christsoziale Merkels Politik mit der Faust in der Tasche
quittierten. Nun könnte der tiefe Dissens in einer wichtigen
politischen Frage die gesamte Legislatur begleiten. Seehofer will
jedenfalls kein Jota an seiner Position ändern. Merkel auch nicht.
Die bayerische Staatspartei dürfte im Wahlkampf von der harten Kante
Seehofers gegen "den Islam" profitieren. Die Krux ist allerdings, wie
Seehofer seine gewaltigen Aufgaben als Innen-, Heimat- und
Bau-Minister im Bund packen will, wenn weiterhin ein Grundsatzstreit
mit der Kanzlerin schwelt. Welchen Islam sie genau meinen, haben
übrigens weder Seehofer noch Merkel gesagt.
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