Südwest Presse: Kommentar zur Bundespräsidenten-Wahl
Geschrieben am 06-06-2010 |
Ulm (ots) - Das fängt ja gut an. So abrupt wie sich Horst Köhler
aus dem Amt des Bundespräsidenten verabschiedete, so überraschend
meldet sich dessen designierter Nachfolger Christian Wulff mit
freimütig geäußerten Zweifeln an seiner zunächst sicher erscheinenden
Wahl ins höchste Staatsamt. So stellt sich prompt die Frage: Wen hat
die Koalition da auf den Schild gehoben? Einen Realisten, einen
Bedenkenträger oder womöglich einen ausgebufften Taktiker? Schon
droht die hastige Kandidatenkür zum schwarz-gelben Eigentor zu
werden. Denn sollte Wulff als Realist gesprochen haben, zeigt seine
Offenheit, dass die Reihen der Koalition alles andere als geschlossen
sind. Bereits die Diskussion um die Kandidaten ließ den Verdacht
aufkeimen, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ihren Laden nicht im
Griff. Stimmen obendrein unzufriedene Koalitionäre in der
Bundesversammlung für Joachim Gauck, um Merkel einen Denkzettel zu
verpassen, rückt das Ende der schwarz-gelben Regierung näher - zu
müde und verbraucht wirkt die Koalition nach weniger als einem Jahr
Regierungszeit. In dieser Situation zu zündeln, wie es Wulff nun tut,
zeugt von einem eigenständigen Kopf, das Gegenteil jener Loyalität
die sich die Kanzlerin wohl wünschen mag. Das lässt Wulff präsidiabel
wirken und macht ihn unfreiwillig zum Wahlhelfer seines Kontrahenten
Gauck - oder will Wulff am Ende doch noch Kanzler werden?
Originaltext: Südwest Presse
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Südwest Presse
Lothar Tolks
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