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Westfalenpost: Fremdelnder Staatsgast Kaczynski erstmals in Berlin

Geschrieben am 30-10-2006

Hagen (ots) - Von Winfried Dolderer

Einen solchen Staatsgast erlebt man selten. Einen, der so
erkennbar fremdelt. Die Zwillinge Lech und Jaroslaw Kaczynski wurden
populär als Kinder-Stars, als putziges Pärchen im polnischen
Fernsehen. Seit einem Jahr, als Lech zum Präsidenten gewählt wurde,
erlebt man sie so in der europäischen Politik. Trotzköpchen, die
fußstampfend um Beachtung quengeln. Man kann das nervig finden. Muss
man es auch für gefährlich halten?
Muss man nicht. Man muss sich ja nicht auf Dauer mit den Kaczynskis
einrichten, und dass sie für ganz Polen sprechen, ist auch nicht
ernstlich zu vermuten. Verlass ist in den osteuropäischen Demokratien
nur auf den Wandel. Und an der Verlässlichkeit der polnischen
Demokratie hat sich nichts geändert dadurch, dass das politische
Personal Außenstehenden derzeit etwas bizarr vorkommt. Zumal einiges
dafür spricht, dass viele Polen es längst ähnlich sehen. Hätte der
jüngste Krawall in Kaczynskis Koalition zu Neuwahlen geführt, der
Mann wäre wohl weiterhin nicht nach Berlin gekommen, weil sich sein
Antrittsbesuch als Mini- sterpräsident erübrigt hätte.
Vieles spricht auch dafür, dass die Obsessionen, mit denen die
regierenden Nationalpopulisten hantieren, ihre angstmachende
Strahlkraft zusehends einbüßen. Das Gespenst der nach ehemals
deutschem Eigentum gierenden "Preußischen Treuhand" ebenso wie die
Vorstellung, Russland könnte mit deutscher Einwilligung am Gashahn
drehen.
Gewiss, es gibt bis in die jüngste Vergangenheit reichende
historische Erfahrungen, mit denen sich in Polen alle möglichen
Obsessionen begründen lassen. Es gibt aber mittlerweile auch eine
Gegenwart. Sie ist westlich und europäisch. Die polnische
Öffentlichkeit hat damit weniger Probleme als die Regierenden, die
fremdeln und trotzig ihre Traumata pflegen.

Originaltext: Westfalenpost
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=58966
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Westfalenpost
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Telefon: 02331/9174160


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